Die Konferenz von Casablanca
Datenherkunft: (aus „Die Welt“)
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Die Konferenz von Casablanca
Die Konferenz von Casablanca (Codename: Symbol) war ein Geheimtreffen der Anti-Hitler-Koalition zwischen US-Präsident Franklin D. Roosevelt, dem britischen Premierminister Winston Churchill und den Combined Chiefs of Staff (CCS) während des Zweiten Weltkriegs. Sie wurde vom 14. bis zum 24. Januar 1943 in der marokkanischen Stadt Casablanca abgehalten.
Josef Stalin war zwar eingeladen, blieb der Konferenz aber mit der Begründung fern, dass er auf Grund der Einkesselung der deutschen 6. Armee in der Schlacht von Stalingrad, wo man seine militärische Führung benötige, die Sowjetunion nicht verlassen könne.
Situation
Zusammen mit ihren Stabschefs legten Roosevelt und Churchill die weitere Kriegsführung gegen die Achsenmächte fest. Zum ersten Mal fühlten sich die Alliierten in der Lage, bestimmen zu können, wann und wo sie den Krieg auf das europäische Festland verlagern könnten. Nordafrika war bereits weitgehend unter Kontrolle der Alliierten, da nur noch in Tunesien die Kämpfe andauerten. Die Rote Armee kam mit ihren Offensiven im Donbecken weiter voran, nachdem die in Stalingrad eingeschlossenen Deutschen kurz vor der Kapitulation standen. Die USA hatten mit der Schlacht um Guadalcanal im Pazifikkrieg einen Wendepunkt gegen Japan erreicht.
Gefahr für die Nachschubwege von den USA nach Großbritannien und Afrika ging hingegen noch von den deutschen U-Booten im Atlantik aus. Während des ersten Treffens des CCS in Casablanca führte General Alan Brooke aus, die Verknappung von Schiffstransporten schnüre allen offensiven Operationen die Luft ab, und wenn die Alliierten die Bedrohung durch U-Boote nicht effektiv bekämpfen könnten, würden sie den Krieg möglicherweise nicht gewinnen können.
Der Mangel an Ressourcen war ein entscheidender Faktor in der Planung der weiteren Operationen. Obwohl die USA ihr ganzes wirtschaftliches Potential aufwandten, um Kriegsmaterial zu produzieren, waren die Truppen der Westalliierten bislang nur zu kleineren Offensivaktionen fähig. Wo und wann die alliierten Streitkräfte am effektivsten gegen den Gegner eingesetzt werden könnten, war ein zentraler Punkt in den Überlegungen der Konferenz des CCS. Zur Wahl standen unter anderem eine Invasion Westeuropas noch im Jahr 1943 oder die Konzentration der Hauptbemühungen auf den Mittelmeerraum.
Pläne
Churchills Plan war es, die afrikanischen Küsten zu erobern und mittels dort aufzubauender Basen die Achsenmächte von Süden her anzugreifen. General George C. Marshall war gegensätzlicher Meinung. Für ihn war es ein Fehler, von Tag zu Tag unkoordinierte Attacken gegen die Achse zu führen und den übergeordneten Plan zur schnellen Kapitulation Deutschlands außer Acht zu lassen.
General Brooke führte aus, dass der einzige Alliierte, der eine große Landstreitmacht im aktuellen Kampfgeschehen habe, die UdSSR sei. Zusammen mit den erhofften rund 21 Divisionen, die die Westalliierten in Frankreich anzulanden versuchten, werde jede andere Offensive im Gesamtplan absolut unwichtig sein. Allerdings könne sich diese Armee nur mit entsprechender Ausrüstung und Nachschubsicherung gegen die vermuteten 44 deutschen Divisionen behaupten.
Daraufhin kam der CCS zum Schluss, dass die Vorbereitungen zur Operation Roundup nicht vor Mitte August beendet sein würden. Damit sei ein Start der Invasion nicht vor dem Spätherbst 1943 möglich, was heiße, dass Roundup nicht die russische Sommeroffensive unterstützen könne. Churchill brachte daraufhin wieder den Plan zur Operation Sledgehammer zur Sprache. Die Mittelmeeraktionen sollten entsprechend eingeschränkt verlaufen. Er dachte auch daran, die Türkei in den Krieg mit einzubeziehen, um von dort eingerichteten Stützpunkten aus die rumänischen Ölfelder und über das Schwarze Meer die Sowjetunion zu erreichen.
Als Resultat der CCS-Konsultationen einigten sich die Oberbefehlshaber zusammen mit dem US-Präsidenten und dem britischen Premierminister darauf, zuerst den afrikanischen Krieg mit der Eroberung Tunesiens im Sommer 1943 zu Ende zu bringen, um die dort freiwerdenden Kräfte für die Anlandung an der italienischen Küste auf Sizilien einzusetzen. Die Invasion Westeuropas wurde auf 1944 verschoben, wobei sich die Briten noch die Option für einen kleinen Brückenkopf ab Ende 1943 vorbehielten. Die USA legten ihre Priorität für Soldaten und Material für die nächsten Monate vorerst auf einen Offensivplan im Pazifik, ohne jedoch bei einem entsprechenden sowjetischen Erfolg eine vorgezogene europäische Landungsoffensive aus den Augen zu verlieren. Der Roundup-Invasionsplan sollte in allen notwendigen Details weiter ausgearbeitet werden.
Offizielle Kriegsziele
Nach zehntägiger Beratung teilten die Westalliierten der Presse erstmals die offiziellen Kriegsziele mit: bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches, Italiens und Japans. Zudem beschlossen die Westalliierten die Verstärkung der Luftangriffe auf deutsche Städte (Combined Bomber Offensive). Fortan flogen die Briten nachts und die US-amerikanischen Bomber tagsüber. Die Forderung der bedingungslosen Kapitulation von Deutschland bedeutete unter anderem, dass dieses sich nicht auf die in der Atlantik-Charta festgelegten Prinzipien berufen konnte. Dem deutschen Widerstand wurde die Arbeit erschwert, da die Alliierten nicht bereit waren, von der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation abzuweichen.
Nebenereignis
Daneben gelang während der Konferenz von Casablanca die Versöhnung der beiden französischen Generäle Charles de Gaulle und Henri Giraud nur halb. Giraud, der die Unterstützung Roosevelts und Churchills hatte, schied aus dem Komitee für nationale Befreiung (CFLN) aus. Die halbherzige Unterstützung der unter Feldmarschall Henri Philippe Pétain mit den Nazis kollaborierenden „rest-französischen“ Vichy-Regierung war damit ganz vorbei.
So reiste der US-Präsident im Zweiten Weltkrieg
Roosevelts Wahnsinnsreise aus Respekt vor den Deutschen
Im Januar 1943 bestieg Roosevelt ein Flugzeug, das ihn zum Gipfel nach Casablanca bringen sollte. Aus Angst vor deutschen Fliegern machte der US-Präsident einen Umweg von mehr als 6000 Kilometern.
Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade. Um stattdessen einen U-förmigen Umweg zu nehmen, der mehr als doppelt so weit ist, muss es gute Gründe geben. Zwischen Washington D.C. und Casablanca liegt eine Distanz von etwa 6150 Kilometern Luftlinie. Doch die Strecke, die Franklin D. Roosevelt im Januar 1943 zur ersten geplanten Konferenz der „Grossen Drei“ im Zweiten Weltkrieg zurücklegte, war mehr als 12.400 Kilometer lang.
Die Konferenz, angesetzt Anfang Dezember 1942, bald nach der relativ problemlosen Besetzung der französischen Protektorats Marokko in der „Operation Torch“ im November 1942, sollte zum ersten Mal die Köpfe der Anti-Hitler-Koalition zusammenführen. Persönliche Gespräche sollten, so das Kalkül von Franklin D. Roosevelt, Vertrauen aufbauen.
Der liberale US-Präsident, fast genauso lang im Amt wie Adolf Hitler als Reichskanzler in Deutschland, war schon immer ein Gegner des europäischen Faschismus gewesen. Doch er hatte sich in den Dreissigerjahren gegen den isolationistischen Zeitgeist in Amerika nicht durchsetzen können. Nun wollte er nach dem als sicher angenommenen Sieg über Deutschland und Japan eine neue, stabile Weltordnung schaffen.
Stalin liess sich entschuldigen
Ähnlich strikt gegen Hitler eingestellt, wie Roosevelt war der überzeugte Konservative Churchill, der jedoch zwischen 1929 und 1939 ohne einflussreiches Amt gewesen. In dieser Zeit hatten seine Parteifreunde Neville Chamberlain und Lord Halifax die britische Appeasement-Politik gegenüber dem Dritten Reich praktiziert, den gescheiterten Versuch der „Einhegung“ des aggressiven deutschen Diktators. Zugleich war Churchill aber auch ein radikaler Gegner jeder sozialistischen Ideologie.
Daher bestanden zwischen ihm und Josef Stalin, dem Diktator der Sowjetunion, schwere Spannungen. Auch mehrere Treffen bei Churchills Moskaubesuch im August 1942 hatten das gegenseitige Misstrauen kaum abbauen können. Deshalb drängte Roosevelt auf ein Treffen zu dritt, das Stalin freilich bald ablehnte: Die Lage vor allem im eingekesselten Stalingrad sei „so heiss“, dass er „keinen einzigen Tag abwesend sein“ könne.
Trotzdem beschlossen Roosevelt und Churchill, sich Mitte Januar 1943 zu treffen, in Nordafrika – um zu demonstrieren, dass auch im Westen des europäischen Kriegsschauplatzes die Zurückdrängung des Dritten Reiches begonnen hatte. Wie aber sollte der US-Präsident dorthin gelangen? Noch nie hatte einer seiner Amtsvorgänger während eines Krieges den amerikanischen Kontinent verlassen; Woodrow Wilson war erst zwei Monate nach dem Waffenstillstand im November 1918 nach Europa gefahren.
Marschgeschwindigkeit von 29 Knoten
Roosevelt verfügte zwar über einen eigenen Fuhrpark, mehrere Dienstjachten, vor allem seine geliebte USS „Potomac“, und einen Sonderzug. Aber ein Dienstflugzeug gab es noch nicht. Immerhin war Mitte Juni 1941 der erst zehn Jahre alte Schwere Kreuzer USS „Augusta“ ausgewählt worden, künftig als Flaggschiff des Präsidenten zu dienen. Dafür wurde das Schiff mit den neuesten Radaranlagen, zusätzlichen Flakgeschützen und einem Aufzug für den teilweise gelähmten Roosevelt ausgerüstet.
Mit ihrer höchsten Marschgeschwindigkeit von 29 Knoten hätte die USS „Augusta“ die Strecke vom Navy-Hauptquartier Norfolk nach Casablanca in fünfeinhalb Tagen bewältigen können. Doch das Weisse Haus entschied sich dagegen; die Gründe sind nicht ganz klar.
Um die Jahreswende 1942/43 gelang den britischen Codeknackern in Blechtley Park regelmässig die Entschlüsselung chiffrierter deutscher U-Boot-Funksprüche. Die Marinenachrichtendienste Grossbritanniens und der USA wussten also meist, wo sich deutsche U-Boote aufhielten. Die schnelle USS „Augusta“ hätte ihren „Rudeln“ problemlos ausweichen können. Allerdings lag das Schiff seit Anfang Dezember zu weiteren Überholungen in einer Werft in New York. Sie war als Flaggschiff während der „Operation Torch“ minimal beschädigt worden, aber voll einsatzfähig.
Luxuriös ausgestattete Flugboote
Dennoch wählte Roosevelt einen anderen Weg. Die US Navy hatte 1942 zwölf Flugboote vom Typ Boeing 314 gekauft, die mit erfahrenen Crews ihres vorherigen Betreibers Pan-Am bemannt wurden. Die luxuriös ausgestatteten Maschinen waren mit 46 Meter Spannweite und einem Startgewicht von maximal 37 Tonnen die seinerzeit grössten einsatzerprobten Flugzeuge der Welt.
Allerdings war selbst ihre Reichweite von 5600 Kilometer nicht gross genug, um den Weg nach Casablanca nonstop zu bewältigen. Das allerdings hatte Roosevelt auch nie vorgehabt.
Denn er wollte sich keinesfalls dem Risiko aussetzen, mit den relativ langsamen Flugbooten in einen Luftkampf mit deutschen Maschinen zu geraten. Kein US-Jäger hatte eine auch nur entfernt ausreichende Reichweite, um die Boeing 314 zu begleiten. Also plante das Weisse Haus einen ausgesprochen weiten Umweg.
Um 22.20 Uhr am 9. Januar 1943 bestieg Roosevelt seinen Sonderzug in der Union Station in Washington D.C. Für die knapp 1500 Kilometer bis zur Navy Air Base in Miami benötigte der Zug 25 Stunden: Gegen 1.30 Uhr am 11. Januar kam er an. Roosevelt wurde gegen fünf Uhr morgens geweckt und zur Boeing 314 „Dixie Clipper“ übergesetzt, die um sechs Uhr mit neuen Passagieren an Bord Richtung Trinidad abhob, darunter drei Agenten des Secret Service. Acht weitere Passagiere flogen in der „Cape Town Clipper“, vor allem Funk- und Nachrichtenexperten der Navy und zwei weitere Personenschützer.
Eine Nacht auf der „Memphis“
Nach zehneinhalb Stunden und 2650 Kilometern landeten die beiden Flugboote in Trinidad. Roosevelt und sein Stab übernachteten im Marinestützpunkt und flogen am nächsten Morgen weiter, diesmal nach Belem in Nordostbrasilien. Für die 1950 Kilometer benötigten die beiden Clipper neuneinhalb Stunden. Diesmal übernachtete der Präsident nicht, sondern liess die beiden Maschinen nur auftanken und wieder starten.
Weil durch zusätzlichen Treibstoff das maximale Startgewicht erreicht war, flogen die beiden Maschinen zunächst in einer Höhe von nur 300 Metern. Später stiegen sie auf 2200 Meter, doch die Turbulenzen in dieser Höhe zwangen sie, wieder tiefer zu gehen. Der Flug nach Bathurst (Banjul), heute die Hauptstadt des westafrikanischen Staates Gambia, dauerte 19 Stunden, bei 3900 Kilometer Distanz.
Erschöpft wechselte der körperlich ohnehin schwer angeschlagene Präsident nach der Ankunft für eine Nacht auf dem Leichten Kreuzer USS „Memphis“. Am nächsten Morgen standen Autos bereit, um die US-Delegation zum Flughafen zu bringen, wo zwei moderne Transportflugzeuge vom Typ C-54 warteten.
Mit ihnen legte Roosevelt die letzten 2450 Kilometer nach Casablanca zurück, in neuneinhalb Stunden. Am 14. Januar 1943 landete er gegen 18.20 Uhr auf dem Flughafen Medouina. Dort wartete schon ein weiteres Kommando des Secret Service auf ihn – mit Autos für die letzten 30 Minuten der beschwerlichen Reise.