Der Verlauf des Luftkrieges in fünf Phasen
Datenherkunft: (gsb.bund.de/BBK/Hampe/05_Verlauf_des_Luftkrieges)
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Konzeptionen und der Aufbau der Luftwaffen
Es ist nicht Aufgabe dieser Darstellung, den Luftkrieg von 1939 bis 1945 in seiner Vorgeschichte und seinen Entwicklungen als Ganzes und in allen Einzelheiten zu schildern. Wenn auch heute bei alliierten und deutschen Militärluftfahrtschriftstellern weitgehende Übereinstimmung besteht, so ist doch der Luftkrieg eine komplexe Erscheinung, so dass es einer umfangreichen Darstellung zu seiner Bewältigung bedarf.
Es ist leicht einzusehen, dass eine komplizierte Maschine, zum Beispiel ein Kampfflugzeug, nur so funktionieren kann, wie sie der Konstrukteur geplant und ausgeführt hat. Das gilt ebenso von dem hochkomplizierten Apparat einer Luftwaffe.
Man unterscheidet dabei zwei verschiedenartige Gesichtspunkte, den technischen der Planung und Rüstung und den führungsmässigen der Organisation und des Einsatzes.
Es soll deshalb mit einer Schilderung der Konzeptionen der deutschen, englischen und amerikanischen Luftwaffen begonnen werden. Es folgt dann der Kampf aus und in der Luft während des zweiten Weltkrieges in fünf Phasen unterteilt: Die erste Phase umfasst die Zeit vom 1. September 1939 bis zum 10. Mai 1940, in der Luftangriffe nur auf militärische Ziele geführt wurden.
Die zweite Phase wird in der Nacht vom 10. zum 11. Mai 1940 eingeleitet. In ihr werden in diesem Krieg zum ersten Mal offene Städte angegriffen, freilich zunächst noch mit leichteren Kräften. Den Höhepunkt dieser Phase bildet die „Luftschlacht um England“ vom 8. August 1940 bis zum 10. Mai 1941. Ihr Ausgang ermöglicht den Alliierten den Luftbombenkrieg gegen Deutschland.
Die dritte Phase beginnt in der Nacht vom 28. zum 29. März 1942 mit einem schweren Angriff auf Lübeck und dem ersten „1000-Bomber-Angriff“ der Luftkriegsgeschichte durch die RAF auf Köln in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942. Sie hält das ganze Jahr an und ihr besonderes Kennzeichen ist der Flächenangriff, das ,Area bombing‘.
Die vierte Phase währt von Anfang 1943 bis zum 5. Juni 1944. Von nun an greift die amerikanische Luftwaffe am Tage, die englische Luftwaffe in der Nacht deutsches Reichsgebiet an.
Die fünfte Phase beginnt am D-Tag, dem 6. Juni 1944, mit der Invasion der Normandie und endet am 8. Mai 1945 mit dem Waffenstillstand. Ihr besonderes Kennzeichen ist, dass die alliierten Luftwaffen die Luftherrschaft über Deutschland an sich reissen und behalten kann.
Die Konzeptionen der Luftwaffen
Der US Bombing Survey von September 1945 stellt am Anfang seiner Ausführungen über „Die Rolle der Luftwaffe“ fest:

„Die Luftwaffen der westlichen Alliierten, die während des europäischen Krieges gegen Deutschland aufgestellt wurden, erreichten mit fast 28’000 Kampfflugzeugen und 1’335’000 Mann Personal ihren Höchststand. Es wurden gegen den Feind mehr als 1’440’000 Bomber-Feindflüge und 2’680’000 Jagdeinsätze geflogen. Nahezu 2’700’000 Tonnen Bomben wurden abgeworfen. Die Zahl der beim Einsatz verlorenen Mannschaften betrug bei den Amerikanern 79’265 und bei den Engländern 79’281 Mann. Mehr als 18’000 amerikanische und 22’000 englische Flugzeuge gingen verloren oder waren nicht mehr reparierbar. Die Zahl der deutschen Flugzeuge, die laut Meldung im Luftkampf oder auf der Erde zerstört worden sind, übersteigt 57’000“.
Hinter diesen Zahlen steht ein Luftbombenkrieg von geradezu schauerlichen Ausmassen, wie man ihn nicht für möglich gehalten hatte. Wie es dazu kam und welches die wahren Gründe für die Niederlage der deutschen Luftwaffe waren, darüber wissen die meisten Deutschen wenig genug, weil die öffentliche Meinung diese Dinge kaum behandelt. Es ist so, als wären wir mit einem Salto über den „konventionellen“ Luftbombenkrieg von 1940 bis 1945, der nicht weniger als 25 Millionen Menschen in Deutschland in Mitleidenschaft zog, in die Erörterungen über einen möglichen Atomkrieg von heute und morgen hineingesprungen. Dabei hätte es Sinn, für den Fall eines Abkommens gegen den Gebrauch jeglicher Atomwaffen sich über die gesteigerten Möglichkeiten eines „konventionellen“ Luftkrieges der Zukunft Gedanken zu machen.
Erfolg oder Nichterfolg im Luftkrieg hängen weitgehend von der Konzeption der Luftwaffe ab, von ihrer Planung, Rüstung und Organisation. Dabei griff man vor dem zweiten Weltkrieg auf einige Erfahrungen aus dem ersten Weltkrieg und auf die neueren Einsatzerfahrungen aus Abessinien und dem spanischen Bürgerkrieg zurück. Aber neben diesen praktischen Erfahrungen wirkten sich noch stärker einige Theorien auf die Planung aus, in ihrem Mittelpunkt die Lehre des italienischen Generals Douhet.
Die Schriften des Generals Giulio Douhet „Vorherrschaft in der Luft“ erschienen bis 1932 und erregten beträchtliches Aufsehen in Fachkreisen und in der breiten Öffentlichkeit, obgleich man damals mit Theorien über den Boden-, See- und Luftkrieg übersättigt war. Douhet starb 1936, hat also nicht mehr erleben können, wie weit der Verlauf des spanischen Bürgerkrieges 1936 bis 1939 seine Lehren bestätigte oder nicht.
Douhets Lehre hatte eine solche Bedeutung, dass es notwendig erscheint, sie auch heute noch in grossen Zügen in Erinnerung zu bringen. Denn die verschiedenen Stellungnahmen der massgeblichen Persönlichkeiten der später am zweiten Weltkrieg beteiligten Luftmächte zu ihr und die Folgerungen, die sie aus dieser Stellungnahme heraus zogen, sollten entscheidend für den gesamten Verlauf des zweiten Weltkrieges werden.
Douhet ging von der Voraussetzung aus, dass auch der nächste Krieg wieder in einem Stellungskrieg versacken würde. Das war insofern ein Irrtum, als Douhet die Entwicklung der Panzertruppe nicht voraussehen konnte. Er sah im Flugzeug die einzige Waffe, für die eine Gefahr, zur Unbeweglichkeit verdammt zu werden, niemals bestehen würde und die daher auch allein die Kriegsentscheidung herbeiführen könne. Wie viele Theoretiker und Reformer ging Douhet bis zum Extrem seiner revolutionären Ideen. Er war der erste Fachmann, der die kriegsentscheidende Rolle der Luftwaffe in ihren strategischen Bomberflotten klar vorausgesehen hat. In dieser Überzeugung ging er so weit, dass er verlangte, Heer und Marine auf das Mindestmass zu begrenzen, das gerade notwendig ist, um die Grenze des Landes gegen einen Einbruch der gegnerischen Erdstreitkräfte zu schützen. Auch die für eine Zusammenarbeit mit Heer und Marine vorgesehenen Flugzeuge sollten nur auf die für diese Aufgabe unerlässliche Zahl beschränkt werden. Alle übrigen für Rüstungszwecke verfügbaren Mittel solle man ausschliesslich zum Bau einer aus grossen schwerbewaffneten Bombern bestehenden strategischen Luftflotte verwenden.
Die Aufgabe dieser strategischen Bomberflotte sollte sein, die kriegerischen Handlungen mitten in das Land des Feindes zu tragen und durch rücksichtslose und immer wiederkehrende Luftangriffe seine militärischen, industriellen und politischen Zentren zu bekämpfen, bis seine militärischen Operationen und Organisationen zerschlagen, seine Kriegsindustrie vernichtet und der Widerstandswille seiner Bevölkerung gebrochen seien. Um dieses Ziel, den Gegner durch Luftangriffe niederzukämpfen, erreichen zu können, erschien es ihm notwendig, zuvor die absolute Luftherrschaft zu erringen. Dies müsse durch schnellste Vernichtung der feindlichen Luftstreitkräfte in der Luft und auf ihren Stützpunkten auf der Erde erfolgen. Die Erringung der Luftherrschaft sei entscheidend für den Ausgang des Krieges, denn die Partei, die sie erlangt habe, könne dann ihre Luftstreitkräfte nach Belieben verstärken. Die Kriegsentscheidung werde fallen, wenn es gelungen sei, den Gegner aus dem Luftraum zu vertreiben und ihn aus der Luft so zu beherrschen, dass er die Erdoberfläche nicht mehr verlassen könne und alle Angriffe aus der Luft widerstandslos über sich ergehen lassen müsse.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass diese Theorie in den zwanziger Jahren erdacht wurde! Betrachtet man den Verlauf und den Ausgang des zweiten Weltkrieges, dann muss man die geradezu „prophetisch“ anmutenden Gedanken Douhets aufs höchste Bewundern. Wir übergehen hier die „Mängel und Übertreibungen“, die damalige Kritiker etwas voreilig an Douhet und am „Douhetismus“ herausgefunden haben. Bestimmt ging Douhet in der Unterbewertung des Heeres und der Marine zu weit. Aber sogar darin steckte ein wahrer Kern: Heer und Marine können ihre Aufgaben nur solange erfüllen, als die eigene Luftwaffe ihren Schutz von oben übernehmen kann. Wenn aber die Luftwaffe nicht einmal die Luftherrschaft über den eigenen Raum gewährleisten kann, sind Heer und Marine tatsächlich von bedingtem Wert. Und das war das prinzipiell Richtige an Douhets Lehre.
Die militärischen Fachleute spalteten sich in drei Gruppen:
- Die „extremen Douhetisten“, die vom strategischen Einsatz der Bomberflotten alles erwarteten und die Zusammenarbeit zwischen der Luftwaffe und dem Heer und der Marine für völlig bedeutungslos ansahen.
- Die „extremen Anhänger der Kooperation“, die in der Luftwaffe nur eine taktisch verwendbare „Hilfswaffe“ für Heer und Marine sahen und selbständige strategische Wirkungsmöglichkeiten der Luftwaffe absprachen.
- Die „gemässigten Douhetisten“, für die es nicht die Frage „Strategische Luftkriegführung oder Kooperation“ gab, sondern die hier eine Synthese fanden. Der Verlauf des zweiten Weltkrieges hat dieser Gruppe recht gegeben.
Die grossen Luftwaffen bis Kriegsbeginn
Ausser der genialen Theorie Douhets mussten von den Planern der verschiedenen Luftwaffen noch die praktischen Erfahrungen zwischen beiden Weltkriegen ausgewertet und berücksichtigt werden. Von allen am zweiten Weltkrieg beteiligten Luftmächten war keine einzige extrem douhetistisch oder ebenso extrem kooperativ eingestellt. Aber schon aus der Planung, der Rüstung und Organisation, mit der sie 1939 oder später in den Krieg eintraten, und dem späteren Einsatz ihrer Luftwaffen konnte man genau erkennen, welche der beiden gegensätzlichen Theorien bei den einzelnen Luftmächten den grössten Ausschlag gegeben hatte.
Die praktischen Erfahrungen zwischen beiden Weltkriegen waren in kurzer Zusammenfassung:
- Die bereits im ersten Weltkrieg erkannte Bedeutung der Luftüberlegenheit oder Luftherrschaft für den Verlauf der Erdkämpfe wurde überall (z. B. in Abessinien und Spanien) bestätigt.
- Der Wert des Flugzeuges als taktische Waffe zum Eingreifen in den Erdkampf war durch die technische Verbesserung der Flugzeuge, Bomben und Bordwaffen, erheblich gesteigert worden. Der ständige Fortschritt im Flugzeugbau liess eine weitere Steigerung mit Sicherheit erwarten.
- Das Flugzeug hatte sich als hervorragend geeignetes Mittel für den Nachschub und Truppentransporte bewährt. Auch hier war eine Steigerung der Leistungen vorauszusehen, zum Beispiel im Absetzen von Fallschirmjägern.
- Die Flakwaffen waren beträchtlich verbessert worden und man musste daher beim Einsatz von Jagd- oder Bombenflugzeugen die Wirkung von Flakwaffen weit mehr in Rechnung stellen als vorher.
- Das Jagdflugzeug hatte sich als ein gefährlicher Gegner des Bombers erwiesen, sofern es dem Bomber an Höhe und Geschwindigkeit überlegen war.
- Im Spanischen Bürgerkrieg wurde die Möglichkeit geboten, mit dem modernsten Material Erfahrungen zu sammeln und taktische Fragen des Luftkampfes, der verschiedenen Arten von Luftangriffen und andere taktische Probleme zu lösen.
Dagegen hatte man keine praktischen Erfahrungen oder Anhaltspunkte für die „strategische“ Luftkriegführung gewonnen. Hier blieb es bei der“ Theorie“ und für die spätere Kritik an den Entschlüssen der für die Planung und Rüstung verantwortlichen Fachleute gilt als Regel H. v. Moltkes Wort: „Eine gerechte historische Kritik darf nicht den nachmaligen Verlauf der Dinge, nicht die Kenntnisse der Dinge und Verhältnisse, wie sie nachträglich vorliegen, zum Massstab ihres Urteils nehmen, sondern muss sich fragen: Was konnten die Leiter der Begebenheiten zur Zeit ihres Handelns davon wissen“. Mangels konkreter Erfahrungen kam es bis 1939 auf das strategische Vorausdenken an und obgleich man sich in ein vollkommen unbekanntes Gebiet damit wagte, zeigte sich hier die Planung der britischen und amerikanischen Luftwaffen als überlegen.
Der US-Strategie Bombing Survey meint über die Erwägungen der grossen Luftmächte vor ihrem Kriegseintritt:

„Eine Tatsache stand allerdings fest: Niemand konnte genau wissen, welches die beste Art sei, dieses nahezu neue Kriegsmittel auszuwerten. Folglich fuhr man in den Vereinigten Staaten mit der Aufstellung von Plänen und der Entwicklung von Flugzeugen unter der Voraussetzung fort, dass die Luftwaffe in vielerlei Rollen gebraucht werden würde. Es gab eine starke Strömung, die annahm, dass die entscheidende Rolle der Luftwaffe jedoch die sei, tief in Feindesland hineinzustossen und dort die Quellen seiner militärischen Macht zu vernichten; ganz besonders glaubte man, dass dies durch präzise Bombenabwürfe am Tage erreicht werden könnte“.
In Grossbritannien legte man, mit Rücksicht auf seine geographisch gesehen verwundbarere Lage, in der Entwicklung mehr Betonung auf Abwehrjäger und geringere auf Langstreckenbomber. Vielleicht waren die beiden bemerkenswertesten Entwicklungen während dieser Zeit: Die Entwicklung der „Fliegenden Festung“ durch die USA und die Entwicklung der „Spitfire“ durch England …. Die Deutschen schlugen allerdings einen anderen Weg ein und konzentrierten sich in der Hauptsache auf eine Luftwaffe, die zur Unterstützung von Boden-Operationen gedacht war und schenkten dabei dem Aufbau einer wirklich schweren Bomberwaffe wenig Beachtung“.
In der Zusammenfassung der wichtigsten Faktoren für die Niederlage Deutschlands in und aus der Luft erwähnt der genannte Bericht als ersten Punkt:

„Die deutsche Luftwaffe war ursprünglich aufgebaut worden, um Boden-Operationen unmittelbar zu unterstützen; das Fehlen an Bomber-Verbänden mit grosser Reichweite stellte sich als schwerer strategischer Fehler heraus“.
Der erste Generalstabschef der deutschen Luftwaffe, General Karl Wever, hatte sich für die Entwicklung des viermotorigen strategischen Bombers eingesetzt. Nun dauert aber die Entwicklung eines Flugzeugs vom ersten Entwurf bis zum fertigen Muster drei bis vier Jahre, die eines Bombers und eines Flugzeugmotors noch längere Zeit. Trotzdem gelang es, zwei Muster der Junkers Ju 89 und drei Muster der Dornier Do 19 herzustellen. Beide viermotorigen Typen wiesen für damalige Verhältnisse ausgezeichnete Leistungen auf und sie hätten sich bei weiterer zielbewusster Entwicklung den englischen und amerikanischen viermotorigen Bombern zum mindesten als ebenbürtig, wenn nicht sogar als überlegen gezeigt. Als aber General Wever im Jahre 1937 mit einer Heinkel H 70 tödlich verunglückte, wurden diese fünf Exemplare der viermotorigen Langstreckenbomber von Junkers und Dornier verschrottet! Infolgedessen musste die deutsche Luftwaffe sich im Kriege mit der als Verkehrsflugzeug konstruierten Focke-Wulf Fw. 200 „Condor“ behelfen, die von 1939 bis 1945 in nur 263 Exemplaren hergestellt wurde und sich als bewaffneter Fernaufklärer über dem Atlantik und im Kampf gegen Schiffsziele gut bewährt hat, aber unmöglich wie die englischen und amerikanischen viermotorigen Bomber zum Angriff auf entfernte militärische Ziele eingesetzt werden konnte. Die Tragödie des Fernbombers Heinkel177 erwähnen wir später.
Demgegenüber hatten die Engländer bereits vor dem zweiten Weltkrieg zwei schwere Bomber, die zweimotorige Armstrong-Whitworth „Whitley“ (ab 1938) und die zweimotorige Vickers „Wellington“ (ab 1937) in Dienst gestellt, ferner ab 1941 die Short „Stirling“, Handley Page „Halifax“ und Avro „Lancaster“, sämtlich viermotorig. In den USA war die Boeing „Fortress“ B-17 und B-17 A 1939 in Dienst gestellt worden. Aus ihr wurden die im Kriege so erfolgreichen Varianten B-17 C bis B-17 H entwickelt.
Die weit vorausschauende Planung der Amerikaner geht aus folgenden Daten hervor:

An Jagdflugzeugen und Bombern produzierten Deutschland und die Vereinigten Staaten:

Hiervon waren viermotorige Bombenflugzeuge:

Unberücksichtigt blieb hier die starke britische Produktion an Jagdflugzeugen und strategischen Bombern, die das Bild weiter zuungunsten Deutschlands verändert. Bei den 35’743 amerikanischen Bombern handelt es sich um wirklich strategische Bomber der Typen Boeing B-17 „Fortress“ und Consolidated B-24 „Liberator“ (auf dem europäischen Kriegsschauplatz), während auf deutscher Seite die Focke-Wulf Fw 200 „Condor“, wie oben ausgeführt, nur behelfsmässig als Bomber eingesetzt wurde und die Heinkel He 177 eine fragwürdige Konstruktion war, bei der Doppelmotoren (DB 606 = 2 DB 601) auf gleicher Welle eine Luftschraube trieben. Das ergab ständige Störungen, schwierige Wartung und ausserdem brannte die Maschine leicht.
Die deutsche Luftwaffenführung bevorzugte den schnellen zweimotorigen „mittleren“ Bomber mit drei Mann Besatzung. 1937 hatte die Dornier Do 17 während des, „4. Internationalen Flugmeetings in Zürich“ eine Sensation bei allen Fachleuten erregt, weil sie schneller war als alle am Alpenrundflug teilnehmenden Jagdflugzeuge. Bei zielbewusster Weiterentwicklung hätte die deutsche Luftwaffe mit der Do 17 grosse Chancen gehabt, einen wirklichen „Schnellbomber“ zu erhalten, der infolge seiner überlegenen Geschwindigkeit auf eine Verteidigungsbewaffnung hätte verzichten können. Statt dessen wurde die Geschwindigkeit zugunsten einer Verteidigungsbewaffnung geopfert, die sich dann jedoch im Kriege als ungenügend erweisen sollte. Zu spät griff Hitler, wie wir später sehen werden, diesen Gedanken wieder auf, indem er das als Jagdflugzeug konstruierte Düsenflugzeug Messerschmitt Me 262 als Schnellbomber einsetzen wollte. Währenddessen gelang es den Briten noch im Laufe des Krieges, einen sehr leistungsfähigen Schnellbomber mit der De Havilland „Mosquito“ zu entwickeln, für die nur der an Geschwindigkeit weit überlegene deutsche Düsenjäger Me 262 als ernstlicher Gegner in Betracht kam.
An zweimotorigen mittleren Bombern gelangten auf deutscher Seite nur drei Typen in verschiedenen Versionen und Baureihen zum Grosseinsatz, die Heinkel He 111, die Dornier Do 17 und die Junkers Ju 88, ausserdem als Sturzkampfflugzeug die Junkers Ju 87. Die deutsche Luftwaffe war also bei dem Mangel an viermotorigen schweren Bombern niemals in der Lage, einen weiträumigen strategischen Luftkrieg zu führen.
Die anfängliche Überlegenheit und spätere Unterlegenheit im Westen dokumentiert sich in den Tonnenzahlen nach Angaben von Lord Tedder in seinem Buch „Luftmacht im Krieg“:

Die Verluste der anglo-amerikanischen Fliegertruppen betrugen zusammen 158’546 Offiziere und Mannschaften.
Die Verluste der deutschen Fliegertruppe gibt Werner Baumbach in seinem Buch „Zu spät?“ an Toten, Verwundeten, Verletzten, Gefangenen und Vermissten mit 99’875 Offizieren und Mannschaften an. Da aber diese Zahlen nur die Verluste bis zum 28. Februar 1945 wiedergeben, müssen sie höher als 100’000 gewesen sein. Doch bezieht sich diese Zahl auf Gesamtverluste, während zu den Verlusten der Amerikaner und Briten an Toten und Vermissten noch die Verluste der polnischen, französischen, niederländischen und sowjetischen Fliegertruppe und die Verwundeten und Verletzten hinzugerechnet werden müssen.
Aus diesen Zahlen lässt sich besser als aus langatmigen Ausführungen ablesen, wie gross einerseits die Übermacht der Anglo-Amerikaner war, und wie erbittert andrerseits sich die deutschen Jagdflieger, Bomber und Flakartilleristen gewehrt haben.
Zu den Vorzügen der angelsächsischen Völker gehört ein nüchternes Urteil in politischen, militärischen und technischen Dingen, das Vermögen, einmal als richtig erkannte Vorhaben schnell, praktisch und gründlich in die Wirklichkeit umzusetzen und Beharrlichkeit in allen Lagen. Lange Zeit vor dem Kriege hatten die Briten die militärische Notwendigkeit einer strategischen Luftkriegführung erkannt. Der Weitblick der britischen Luftwaffenführung im ersten Weltkrieg und zwischen den Kriegen erwies sich in folgendem:
Bereits am 1. April 1918 wurde die britische Luftwaffe unter der heutigen Bezeichnung Royal Air Force in einen selbständigen Wehrmachtteil umgewandelt. Seit 1925 waren unverrückbare Ziele: Strategische Bomberverbände für den Angriff, starke Jagdfliegerverbände für den Heimatschutz.

Das grösste Verdienst am Aufbau der RAF und ihrem Erfolg hatte General Trenchard, zuletzt Marshal of the RAF Viscount Trenchard, und für die Jagdwaffe Air Chief Marshal Sir Hugh C. T. Dowding, beide höhere Offiziere der Fliegertruppe aus dem ersten Weltkrieg.
Frontstärken und Organisation der Luftwaffen, September 1939
Die effektive Frontstärke jeder fliegenden Kampfeinheit ist einem starken Wechsel unterworfen. So entsprach zum Beispiel die Soll-Stärke einer Jagdstaffel bei Kriegsbeginn 9 Flugzeugen + 3 Reserve-Flugzeugen. Die Ist-Stärke stimmte aber selten mit der Soll-Stärke überein, weil nach einem Einsatz Maschinen unklar geworden oder Verluste eingetreten sein konnten. Trotz grösster Anstrengungen des pausenlos arbeitenden Boden-Personals gelang es nicht immer, unklare Maschinen bis zum nächsten Einsatz, der manchmal im Anschluss an den ersten stattfand, wieder klarzubekommen.
Bei Kriegsbeginn verfügte die deutsche Luftwaffe über folgende Frontstärken:

Royal Air Force, März 1939
Die britische „Königliche Luftwaffe“ verfügte nach „offiziell“ veröffentlichten Zahlen am 1. März 1939 über insgesamt 2327 Flugzeuge der „Regulären (aktiven) Fliegertruppe“.

Der Vergleich beider Effektiv-Frontstärken, Deutschland 4’333 gegen England 2’327 Flugzeuge, wäre irreführend, weil die britischen „offiziellen“ Zahlen bereits den Stand vom 1. März 1939 angeben, die deutschen Zahlen den vom 1. September 1939. Zu diesem Zeitpunkt dürften die Briten eine weit höhere Zahl von Flugzeugen erster Linie zur Verfügung gehabt haben. Wie hoch diese Zahl tatsächlich war und was an Flugzeugen zweiter Linie und Reserven noch dazu kam, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die veröffentlichten Zahlen waren jedenfalls, auch aus politischen Gründen, von den Briten eher zu niedrig als zu hoch gehalten. Eine ziffernmässige Unterlegenheit hat bei der RAF noch bis Herbst 1940 bestanden. Dann holte sie in der „Schlacht um England“ auf. Diese zahlenmässige Unterlegenheit der Briten wurde indessen durch das gute, in einigen Gebieten sogar überlegene Flugzeugmaterial und den Geist, der die RAF beseelte, ausgeglichen.
Die Stärken der Luftwaffen von Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Polen zu Beginn des Krieges fallen nicht ins Gewicht, weil diese Luftwaffen keinen strategischen Luftkrieg geführt haben ebenso wie die Sowjetunion, die den strategischen Luftkrieg den Westalliierten überliess. Auch die italienische Luftwaffe kommt hier nicht in Betracht, weil sie, im Mittelmeer gebunden, nichts zur aktiven Abwehr der Bombenangriffe beitragen konnte, sondern im Gegenteil Luftstreitkräfte der deutschen Luftwaffe nach Italien abgezogen hat.
United States Air Force
Die grösste Luftmacht des zweiten Weltkrieges, die Luftwaffe der „Vereinigten Staaten“ verdient die grösste Aufmerksamkeit. Denn die USAF hat im gemeinsamen Kampf mit der RAF den Krieg entschieden.
Mitte 1939 betrug die Gesamtstärke der USAF rund 5’000 Flugzeuge einschliesslich der noch brauchbaren, aber veralteten Typen, bei der “ Heeres-Luftwaffe “ (USAAF) etwa 2’400 und bei der „Marine-Luftwaffe“ (USN) etwa 2’500. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Verstärkungen geplant, bei der „Heeres-Luftwaffe“ um 5’000, bei der „Marine-Luftwaffe“ um 3’000 Flugzeuge modernster Bauart.
Die“ Vereinigten Staaten“ befanden sich gegenüber den europäischen Staaten in einem beträchtlichen Vorteil. Während in Europa am 1. September 1939 der Krieg ausbrach und die zunächst Kriegführenden: Polen, Frankreich und Grossbritannien, sich auf die bei Kriegsausbruch vorhandene Luftrüstung beschränken mussten, konnten sich die USA bis zum 8. Dezember 1941, dem Tag des japanischen Überfalls auf Pearl Harbour, aus dem Kriege heraushalten. In diesen 27 Monaten lief die amerikanische Produktion von Kriegsmaterial an, so dass sie schon im ersten Kriegsjahr der USA, 1942, auf volle Touren kam. Ausserdem hatten die Amerikaner Gelegenheit, die Erfahrungen ihrer späteren Alliierten, insbesondere auf dem Gebiete des Luftkrieges, auszuwerten und entsprechende Rückschlüsse daraus zu ziehen.
Beim Eintritt der USA in den Krieg betrug die Stärke der „Heeres-Luftwaffe“ 3’305 Frontflugzeuge aller Gattungen, von denen sich 1’024 in Übersee befanden. Dazu traten noch 216 Transport-, 6’594 Schul- und 214 Verbindungsflugzeuge. Die Stärke der „Marine-Luftwaffe“ stellte sich im. Juli 1940 auf nur 1’708 Frontflugzeuge, dürfte aber Anfang Dezember 1941 ebenfalls etwa 3’000 Frontflugzeuge aller Gattungen betragen haben. Die Personalstärke der „Heeres-Luftwaffe“ war von 17’000 Offizieren und Mannschaften 1938 und etwa 23’000 Mitte 1939 auf über 100’000 bis Dezember 1941 gestiegen. Mag auch diese zahlenmässige Stärke der USAF bei ihrem Eintritt in den Krieg noch verhältnismässig gering gewesen sein, so hatten doch die amerikanische Regierung, die verantwortlichen Führer der USAF und die Industrien alle Möglichkeiten der technischen Entwicklung, der industriellen Produktion, der Ausbildung und der Organisation so vortrefflich vorbereitet, dass die US-Luftwaffe in kurzer Zeit einen gewaltigen Aufschwung nehmen und entscheidend in den Kriegsverlauf eingreifen konnte.
Die nackten Produktionszahlen sagen hier mehr, als viele Worte es vermöchten. Die Produktion betrug 1940 nur insgesamt 6’019 Militärflugzeuge, davon 1’685 Jagdflugzeuge und 1’191 Bomber (darunter 60 viermotorige). Diese Ziffern stiegen wie folgt:

*(Einmotorige Bomber wurden hauptsächlich bei der Marine auf Flugzeugträger verwendet).
Produktion von Flugzeugmotoren:

Allein in den drei entscheidenden Kriegsjahren 1942, 1943 und 1944 wurden also gebaut:
230’052 Militärflugzeuge, davon 73’630 Jagdflugzeuge und 76’985 Bomber (28’561 viermotorig, 27’666 zweimotorig, 20’758 einmotorig) sowie 622’116 Flugmotoren. Mit der Vermehrung des Flugzeugmaterials, von dem ein beträchtlicher Teil auch an die Verbündeten geliefert wurde, ging die Verstärkung des Personals.
Dieses erhöhte sich bei der „Heeres-Luftwaffe“ von den rund 100’000 Offizieren und Mannschaften bei Kriegseintritt auf über eine Million gegen Ende 1942 und erreichte Ende 1943 mit 2’375’000 Offizieren und Mannschaften seinen Höchststand.
In der Zeit vom Dezember 1941 bis zum August 1945 wurden 193’240 Flugzeugführer, 50’976 Beobachter (Navigatoren), 47’354 Bombenschützen, 195’422 Radio-Mechaniker und Funker, 347’236 Bordschützen und 497’533 Flugzeug- und Flugmotoren-Mechaniker ausgebildet.
Der US-Strategie Bombing Survey gibt gegenüber der oben genannten Zahl von 2’375’000 Mann Personal für 1943 etwa 1 Million weniger an, nämlich 1’335’000 Mann Personal als Höchststand; wahrscheinlich betrifft diese Zahl nur das „Fliegende Personal“. Als weiteres Beispiel für die industrielle Leistungsfähigkeit der USA dürften, obwohl sie nicht die Luftwaffe betreffen, noch folgende Zahlen interessieren, die auf Angaben von Bernard M. Baruch basieren: Ausser den fast 300’000 Flugzeugen und fast 800’000 Flugmotoren lieferte die amerikanische Kriegsindustrie in den 5 Kriegsjahren über 15 Millionen Gewehre und Karabiner, 319’000 Geschütze, 41’000 Millionen Schuss Gewehr- und MG-Munition, 4’200’000 Tonnen Artilleriemunition, 86’000 Panzer, 64’500 Landungsfahrzeuge und 52 Millionen Tonnen Handelsschiffsraum. Die Kriegsmarine wurde von 1’900’000 Tonnen auf 13’800’000 Tonnen vergrössert.
Führung und Organisation der Luftwaffen
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde in Grossbritannien die RAF von 300 Staffeln radikal auf 21 Staffeln reduziert. Ebenso wurde in den Vereinigten Staaten die amerikanische Luftwaffe stark verkleinert. Trotzdem genügten diese schwachen Luftstreitkräfte, um die kontinuierliche Entwicklung in personeller und technischer Hinsicht sicherzustellen. Die höchsten Führungsstellen blieben bei den Engländern und Amerikanern mit den bewährten Führern besetzt und im Laufe der Jahre konnten jüngere Offiziere über eine gründliche Generalstabsschulung in die höheren und höchsten Führungsstellen nachrücken.
Die deutsche Luftwaffe wurde aufgelöst, ihre Flugzeuge zu Tausenden verschrottet und die überlebenden Offiziere verstreuten sich in alle Winde, ergriffen zivile Berufe und verloren langsam jede Bindung an die Fliegerei. Eine Entwicklung und eine Tradition waren plötzlich abgebrochen worden. Nur ein verschwindend kleiner Teil der ehemaligen Fliegeroffiziere von 1918 kam in Berufen unter, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Flugwesen zu tun hatten. Damit ist das wichtigste Problem angeschnitten, dass man geeignete Persönlichkeiten für die höchsten Führungsstellen haben muss, wenn eine Organisation von Grund auf zweckmässig und richtig aufgebaut werden soll.
Die Organisation der deutschen Luftwaffe wurde von 1935 bis 1939, ihrem schnellen Aufbau entsprechend, mehrfach geändert. Vor dem Kriege war die Luftwaffe taktisch in die Luftflottenkommandos 1 bis 4 (Berlin, Braunschweig, München, Wien) und das Luftwaffenkommando Königsberg gegliedert. An der Spitze jedes Luftflottenkommandos stand der „Chef der Luftflotte und Oberbefehlshaber“ (1 = Ost, 2 = Nord, 3 = West, 4 = Südost), an der Spitze des Luftwaffenkommandos Königsberg der „Kommandierende General der Luftwaffe in Ostpreussen“.
Beim Oberbefehlshaber des Heeres und dem der Kriegsmarine befand sich je ein „General der Luftwaffe beim Oberkommando des Heeres“ bzw. „beim Oberkommando der Kriegsmarine“, der gleichzeitig die „Heeres-“ bzw. „Marinefliegerverbände“ befehligte und inspizierte. Ausserdem gab es den „Befehlshaber der Kommandos der Luftverteidigungszone West“ und die „Luftverteidigungskommandos“ in Berlin, Stettin, Hamburg, Düsseldorf und Leipzig.
Jedes Luftflottenkommando verfügte über alle Gattungen der Fliegertruppe, Flakartillerie und Luftnachrichtentruppe.
Territorial war die deutsche Luftwaffe entsprechend den Wehrkreisen in 10 „Luftgaukommandos“ eingeteilt.
Die taktische Gliederung der deutschen Luftwaffe war vorwiegend auf die Zusammenarbeit mit dem Heer abgestellt. Hierfür war sie auch gut geeignet, denn jeder Befehlshaber einer Luftflotte verfügte über eine vollständige „kleine Luftwaffe“, deren Verbände er so einsetzen konnte, wie es die Lage, bei der im gemeinsamen Bereich befindlichen Armee oder Heeresgruppe erforderte. Obgleich die deutsche Luftwaffe ein selbständiger Wehrmachtteil war, dominierte das notwendigerweise territoriale Denken des Heeres über die Luftwaffe. Man kann es vereinfacht ausdrücken: Die deutsche Führung dachte sich den Luftkrieg vertikal unterteilt, während die Briten, wie wir sehen werden, in der Horizontale dachten. Der ausschlaggebende Nachteil war, dass die für einen „strategischen Luftkrieg“ verwendbaren deutschen Bomberverbände nicht ständig einem besonderen Kommando unterstanden, dessen Aufgabe die Führung eines solchen Luftkrieges gewesen wäre. Wenn nun einmal ein operativer Schwerpunkt gebildet werden sollte, für den die Bomberverbände einer Luftflotte nicht ausreichten, so mussten erst die Verbände mehrerer Luftflotten zusammengezogen und einem dann bestimmten Kommando unterstellt werden. Das gilt auch für die Jagdflieger. Der „General der Jagdflieger“ und der „General der Kampfflieger“ (Bomber) waren Inspekteure, die nur in Einzelfällen das Kommando führten. Es fehlte bei der deutschen Luftwaffe die entsprechende höchste Führungsstelle, wie sie die Briten in ihrem „Bomber Command“ und dem „Fighter Command“ besassen. Auf diese für eine Luftwaffe ungünstige Organisation ist es zurückzuführen, dass die deutsche Luftwaffe stets hervorragende Erfolge hatte, wenn sie in Zusammenarbeit mit dem Heer eingesetzt wurde, jedoch für einen „strategischen Luftkrieg“ nicht vorbereitet war. Daher verlor sie schon die Schlacht um England.
Die Luftverteidigung des deutschen Heimatgebietes war so organisiert, dass die aktiven Luftverteidigungskräfte, Jagdflieger und Flak, bis 1941 durch die verschiedenen Luftgaukommandos geführt wurden. Dabei musste die Flakartillerie die Hauptlast des Abwehrkampfes tragen, weil die meisten Jagdkräfte an der Kanalfront lagen; jahrelang standen nur die beiden Jagdgeschwader 2 und 26 im Heimatkriegsgebiet zur Verfügung. Man führte die Luftverteidigung des Reiches an der Peripherie, während eine Verteidigung von zentralen Stützpunkten aus das Richtige gewesen wäre. Das galt auch für die Nachtjagd. Erst im Juli 1940 konnte General Kammhuber mit dem Aufbau der Nachtjagd beginnen. Als die Einflüge englischer Bomberverbände zunahmen, setzte sich im Herbst 1941 der Gedanke durch, das gesamte Verteidigungssystem des Reiches unter ein einheitliches Kommando zu stellen, des „Luftwaffenbefehlshabers Mitte“.
Die Bewaffnung der Flak-Artillerie bestand aus schweren Geschützen (Kaliber 8,8 cm, später auch schwerere Kaliber) der schweren Flak und Maschinenkanonen (Kaliber 3,7 cm und 2 cm) der leichten Flak sowie Fla-MG’s. Jede Einheit verfügte über Scheinwerfer und Horchgeräte. Im September 1939 soll die Flak über etwa 650 schwere Batterien (meist 8,8 cm, einige 10,5 cm), etwa 560 leichte Batterien mit etwa 6700 Geschützen und etwa 188 Scheinwerfern verfügt haben.
Beim Aufbau der Organisation der RAF lässt sich erkennen, wie klar die Briten die Dinge gesehen und danach gehandelt haben. Statt komplizierte organisatorische Gebilde wie Luftkreise, Luftgaue, Luftflotten zu schaffen und auf diese Art die vorhandenen Luftstreitkräfte befehlsgemäss in lauter einzelne „kleine Luftwaffen mit allem Drum und Dran“ zu zerlegen, wie es besonders für die deutsche und die polnische und, etwas weniger ausgeprägt, auch für die französische Luftwaffe typisch war, wählte man bei der RAF die Gliederung nach „Aufgabenbereichen“. Das Aufgabengebiet der Streitkräfte einer grossen Luftmacht umfasste erstens die Durchführung des strategischen Luftkrieges, zweitens den Heimatschutz und drittens die Zusammenarbeit mit Heer und Flotte. Hauptteile der „Fliegertruppe in der Heimat“ waren daher nicht „Luftflotten“ wie in Deutschland, sondern das „Kommando der Bombenflieger“ (Bomber Command), das „Kommando der Jagdflieger“ (Fighter Command), dem ausser allen Jagdfliegern im Kriege auch die britische Flak unterstellt war, und das „Kommando der Küstenflieger“ (Coastal Command). Die Marineflieger-Verbände wurden 1939 wieder als „Fleet Air Arm“ der Flotte unterstellt. Der einzige grosse Fehler, der der RAF in der Organisation unterlief, war, dass sie die Zusammenarbeit mit dem Heer zu sehr unterschätzte und daher ihre taktischen Verbände in Bezug auf Zahl und Flugzeugmaterial viel zu schwach gestaltete. Der Fehler wurde erkannt und Ende 1941 durch die Schaffung des „Army Cooperation Command“, das dann 1943 in die“ Tactical Air Force“ umgewandelt wurde, behoben. Die Vereinigten Staaten hatten die Organisation und Rüstung ihrer Luftwaffe nach ähnlichen Richtlinien durchgeführt wie Grossbritannien. Als sie in den Krieg eintraten, konnten sie ihre Luftwaffenverbände ohne besondere Schwierigkeiten der bewährten englischen Organisation anpassen.
Die erste Phase
1. September 1939 bis 10. Mai 1940
Die erste Phase erstreckt sich auf die Zeit vom 1. September 1939 bis zum 10. Mai 1940 und ist dadurch gekennzeichnet, dass in diesen rund acht Monaten ausschliesslich militärische Ziele angegriffen wurden. Es bestand kein Übereinkommen, nichtmilitärische Ziele zu verschonen, sondern nur ein stillschweigendes gegenseitiges Einvernehmen. Wenn man mit dem Blick nach Westen diese Phase unter dem bekannten Begriff des „Sitzkrieges“ versteht, findet man auf beiden Seiten gewollte Beschränkung auf bewaffnete Aufklärung, Handelskrieg gegen Schiffe, Angriffe gegen Kriegsschiffe, Seebefestigungen, Seefliegerstationen, Hangars, Minenlegen und Abwurf von Propagandaschriften.
Es ist hier nicht die Aufgabe, die Frage der Kriegsschuld an dem in der zweiten Phase einsetzenden „unterschiedslosen“ Bombenkrieg zu untersuchen. Es müssen aber doch einige Verlautbarungen der Regierungen und führenden Staatsmänner erwähnt werden, weil sie für die Entschlüsse der deutschen Führung von Bedeutung waren.
Es wurde erwähnt, dass die britische Industrie unter dem Schleier des tiefsten Geheimnisses an der Herstellung einer strategischen Bomberflotte arbeitete und andere schwere Bomber schon bei Kriegsausbruch bei der RAF im Dienst standen. Die deutsche Luftwaffe war, wie mehrfach bemerkt, auf einen strategischen Luftkrieg nicht vorbereitet. Es ist daher auch glaubhaft, dass die deutsche Führung, die alles auf die Karte des „Blitz-Krieges“ gesetzt hatte, keine solchen Absichten verbarg. Es gab und gibt keine Völkerrechtsvorschriften über den Luftkrieg, die allgemein anerkannt und verbindlich sind. Im März 1936 versuchte die deutsche Regierung mit einem Memorandum, eine Luftkriegsordnung zu vereinbaren, in der jeder Abwurf von Bomben auf offene Städte generell verboten sein sollte. Dieser Schritt blieb erfolglos.
Der britische Premierminister Chamberlain erklärte am 2. Juni 1938 im Unterhaus u. a.: „Ich will hier eindeutig aussprechen, dass wir jede Erklärung, wonach es zu einer vorbedachten Politik gehöre, durch Demoralisierung der Zivilbevölkerung mit Bombenangriffen aus der Luft einen Krieg gewinnen zu wollen, gar nicht scharf genug verurteilen können. Das läuft dem Völkerrecht völlig zuwider und ist auch eine falsche Politik. Denn ich glaube nicht, dass man durch absichtliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung jemals einen Krieg gewinnen kann“.
Am Tage der Kriegserklärung richtete der Präsident der Vereinigten Staaten, F. D. Roosevelt, an die in die Feindseligkeiten verwickelten Regierungen die Aufforderung, öffentlich zu erklären, dass sie entschlossen seien, ihren Luftwaffen auf keinen Fall Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung oder unbefestigte Städte zu gestatten. Alle Regierungen stimmten noch am gleichen Tage bedingungslos zu. Am 11. September 1939 schrieb Hitler an Roosevelt: „Es ist selbstverständliche Pflicht, Bombenangriffe nicht gegen nichtmilitärische Ziele zu richten, und ich hatte diese Weisung bereits von mir aus gegeben. Ich stimme Ihrem Vorschlag zu. Voraussetzung ist natürlich, dass der Gegner sich an dieselben Regeln hält“. Der britische Premier hatte vor dem Unterhaus Anfang September eine ähnliche Erklärung abgegeben. Die RAF hatte den Befehl erhalten: „Angriffe gegen Ziele, die Leben und Eigentum der Zivilbevölkerung gefährden können, sind verboten“. Am 15. September gab Chamberlain eine neue Erklärung ab: „Die Regierung Seiner Majestät wird niemals dazu übergehen, verzweifelte Angriffe auf Frauen und Kinder und andere Zivilpersonen zum Zwecke des blossen Terrors zu unternehmen. Indessen muss daran erinnert werden, dass unsere Strategie und Taktik in allen Phasen durch die alleinige Überlegung beschränkt wird, nämlich die wirkungsvollste Führung des Krieges“. Zwei Monate später fand eine Sitzung des Obersten Englisch-Französischen Kriegsrates in London statt, in welcher die Aussichten einer Bombardierung des Ruhrgebietes erläutert wurden. In der Niederschrift heisst es: „Der Premierminister ist überzeugt, dass es sich um einen sehr geschickt vorbereiteten Plan handelt, dessen Gelingen ihm möglich erscheint. Aber zur gleichen Zeit schaudert er vor dem Gedanken, den notwendigen Befehl geben zu müssen und er hoffe, dass dazu niemals eine Notwendigkeit vorliegen wird“. Der französische Ministerpräsident Daladier erbat für Frankreich einen Aufschub des Bombardements.
Diese Erklärungen sprechen für sich selbst. Sie sind auch der Grund dafür, dass die westlichen Alliierten in der ersten Phase des Luftkrieges aus moral-politischen Gründen von einem „unterschiedslosen“ Bombenkrieg absahen. Aber in Chamberlains Haltung seit dem 15. September spiegelt sich deutlich das Bemühen der Befürworter des Bombenkriegs wider, an die Macht zu kommen.
Am 1. September 1939 um 4.40 Uhr morgens starteten die deutschen Bomber, Sturzkampfflieger und Jagdflieger zum Grossangriff auf die polnische Luftwaffe und ihre Bodenorganisation. 24 Stunden später hatte die deutsche Luftwaffe die absolute Luftherrschaft errungen und den grössten Teil der polnischen Flugzeuge am Boden zerstört. Dieser erste Schlag der deutschen Luftwaffe hatte strategischen Charakter, die Weiterführung eines strategischen Luftkrieges gegen Polen war dann nicht mehr notwendig, weil die deutschen Armeen in wenigen Wochen, bis zum 30. September, den Widerstand des Gegners gebrochen hatten, wobei die deutsche Luftwaffe taktisch und kooperativ eingesetzt wurde. Der Erfolg dieses ersten „Blitzkrieges“ entsprach den hochgespannten Erwartungen der deutschen Führung, bestätigte ihre taktische Konzeption der Luftwaffe durch das gute Zusammenwirken mit den Erdtruppen, war aber ohne Bedeutung für neue luftstrategische Vorstellungen der Führung, da sich aus dem Polenfeldzug keine unerwarteten Erkenntnisse ergeben hatten.
In diese erste Phase fällt auch der Beginn des Norwegen-Feldzuges vom 9. April bis zum 8. Juni 1940. Bei der Schwäche der norwegischen Fliegertruppe erübrigte sich ein einleitender Grossangriff. Die deutsche Luftwaffe wurde in engster Zusammenarbeit mit Heer und Flotte eingesetzt. Dabei spielten zum ersten Mal in der Geschichte des Luftkrieges Fallschirm- und Luftlandetruppen eine wichtige Rolle. Wenige Tage später, am 15. April, landeten die Briten Truppen in Namsos und Andalsnes, um Trondheim in einer Zangenbewegung zu erreichen. Aber schon nach 14 Tagen war das alliierte Unternehmen völlig gescheitert, weil die deutsche Luftwaffe den alliierten Nachschub über See bedrohte und über Norwegen die Luftherrschaft ausübte.
Aus dem sogenannten „Sitzkrieg“ im Westen vom 3. September 1939 bis zum 10. Mai 1940 liessen sich irgendwelche Erfahrungen von Bedeutung nicht gewinnen, soweit es sich um Kämpfe zwischen Jägern oder Jägern gegen Aufklärer handelte. Im Gegensatz hierzu hätten die Bombenflüge der RAF in die Deutsche Bucht, die am 4. September einsetzten, die deutschen Luftangriffe auf britische Flotteneinheiten bei den Shetland- und Orkneyinseln, und vor allem die vielen weit in deutsches Gebiet hineinführenden Nachtflüge der RAF, bei denen Flugblätter abgeworfen wurden, eine Menge für den weiteren Verlauf des Luftkrieges äusserst wertvoller Erfahrungen bringen können -, wenn man diesen Ereignissen die ihnen tatsächlich zukommende Bedeutung beigemessen hätte.
Britische Bombenangriffe auf militärische Ziele

Im Oktober keine britischen Bombenabwürfe auf deutsches Gebiet.

Bis Ende Dezember: Sechsmal Bombenwürfe auf deutschen Boden. 55 Bomben auf Helgoland, Borkum, Juist, Amrum, Sylt.

Im Februar keine britischen Bombenabwürfe auf deutsches Gebiet.

Deutsche Bombenangriffe auf militärische Ziele

Währenddessen gingen über die erstarrte“ Westfront“ beiderseits Aufklärungsflüge bis zu 1000 km Reichweite hin und her, ohne dass Bomben fielen. Auch die nach Frankreich mit taktischer Tendenz in den Raum Paris-Reims vorgeschobenen britischen Bomberverbände übten gleichfalls Zurückhaltung.
Es ist wenig verständlich, dass beide kriegführenden Parteien aus dem kriegsmässigen Einsatz der Luftwaffen keine Lehren gezogen haben. Die Briten unterschätzten immer noch die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Luftwaffe und Heer, wie sie von den deutschen Streitkräften in Polen und Norwegen vorbildlich gezeigt worden war, die Franzosen zogen keine Konsequenzen aus dem deutschen Luftüberfall auf Polen, so dass auch ihre Luftwaffe am 10. Mai und in den folgenden Tagen den deutschen Grossangriffen zum Opfer fiel.
Aber auch auf deutscher Seite wurden aus den Ereignissen nicht alle Folgerungen gezogen. Die erwähnten Tagesangriffe der RAF in den Raum der Deutschen Bucht waren unter sehr hohen Verlusten der britischen Bomberverbände gescheitert. Daraus folgte, dass Tagesangriffe ohne oder unter nur ungenügendem Jagdschutz viel zu verlustreich werden mussten, um auf die Dauer tragbar zu sein, wenn der Gegner über eine starke Verteidigung des Zielraums durch Jagdflugzeuge verfügte. Die Verteidigungsbewaffnung der mittleren Bomber des Typs Bristol „Blenheim“ hatte sich als völlig unzureichend erwiesen. Sie wurden eine leichte Beute der deutschen Jäger vom Typ Me 109 und der Zerstörer Me 110. Jagdschutz aber konnten die Briten ihren Bombern nicht mitgeben, weil ihre damaligen Jäger, meist vom Typ Hurricane, nicht die Reichweite der Bomber besassen und abwerfbare Zusatztanks damals noch nicht eingeführt waren.
Man hätte also auf deutscher Seite erkennen müssen, welche Bedingungen die eigenen Bomberverbände bei Tagesangriffen gegen die britische Insel vorfinden würden. Ob und welche Möglichkeiten noch zur Verbesserung dieser Bedingungen gegeben gewesen wären, kann hier nicht untersucht werden.
Auch durch die häufigen Nachteinflüge der RAF hätte die Führung der Luftwaffe gewarnt sein müssen. Diese Flüge wurden mit den damaligen schweren Bombern der RAF, den Vickers „Wellington“ und den Armstrong Whitworth „Whitley“, seltener Handley Page „Hampden“, unternommen. Die dabei abgeworfenen „Flugblätter“ verfehlten allerdings jede Wirkung. Die Tatsache jedoch, dass es den Bombern gelang, diese bis weit in den deutschen Luftraum hineinreichenden Flüge mit geradezu beunruhigender Regelmässigkeit durchzuführen, und dass sie dabei nur geringe Verluste erlitten, hätte für die deutsche Führung ein alarmierender Beweis dafür sein müssen, dass es mit der dem eigenen Volk als „undurchdringlich“ bezeichneten Luftverteidigung, vor allem gegen Nachtangriffe, irgendwie nicht stimmte und dass die Bomber der RAF genauso gut morgen schon Bomben, wie heute Flugblätter abwerfen konnten. Dieser Flugblattabwurf war nichts anderes als eine raffinierte Tarnung, um den Gegner über den wahren Grund der Flüge zu täuschen. Die Besatzungen der britischen Bomber sammelten nämlich auf ihren Nachtflügen über deutschem Gebiet wertvolle Erfahrungen in der Navigation bei Nacht sowie über die Aufstellung und Wirkung des deutschen Flakschutzes und der deutschen Nachtjagd, die sich damals freilich erst im Versuchsstadium befand. Die deutsche Führung unterlag der geschickten Täuschung durch die Flugblattabwürfe, obwohl nichts naheliegender sein konnte als der logische Schluss, dass diese häufigen Nachtflüge von strategischen Bombern das erste vorbereitende Glied in der Kette der strategischen Luftkriegshandlungen gegen Deutschland darstellen mussten. Dass diese Schlussfolgerung den Tatsachen entsprach, hat später der Verlauf des Luftkrieges bewiesen und zeigte sich bereits zu Beginn der zweiten Phase, als die Briten, nunmehr unter Sir Winston Churchill als Premierminister, „die Handschuhe auszogen“.
Die zweite Phase
10./11. Mai 1940 bis 28./29. März 1942
Am 10. Mai 1940 trat das Ereignis ein, über dessen Durchführung und Termin schon Wochen und Monate zuvor auf beiden Seiten die verschiedensten Vermutungen und Befürchtungen diskutiert worden waren, der Angriff der Deutschen im Westen.
Diese Offensive wurde, ebenso wie im Feldzug gegen Polen, mit einem überraschenden Grossangriff der zahlenmässig dem Gegner beträchtlich überlegenen deutschen Luftstreitkräfte auf die Luftwaffen der Alliierten in Frankreich, sowie auf die belgische und niederländische Luftwaffe eröffnete. Und wie in Polen wurden auch die französischen, niederländischen und belgischen Flugzeuge bereits auf ihren Flugplätzen und Startbahnen zum grössten Teil vernichtet, sodass die deutsche Luftwaffe überall die Luftüberlegenheit innehatte und an den Schwerpunkten der Kämpfe sogar die Luftherrschaft erringen konnte.
Das sorglose Verhalten der Franzosen, Belgier und Holländer in diesen Wochen der Hochspannung bleibt unerklärlich. Selbstverständlich hatten die Alliierten sich Gedanken darüber gemacht, was sie im Falle eines deutschen Angriffs im Westen unternehmen wollten. Die Franzosen hatten am 22. April 1940 in London für diesen Fall ihre Zustimmung erteilt, dass Verkehrsanlagen und Öllager im westdeutschen Raum angegriffen werden sollten. Am 8. Mai 1940 erhielt das britische Luftfahrtministerium vom Kriegskabinett für den Fall des deutschen Vormarsches freie Hand für Luftangriffe auf Verschiebebahnhöfe, Öllager und Kraftwerke. Aber das Nächstliegende, die kriegsmässige Aufstellung und Verteilung ihrer Luftwaffen, hatten die Alliierten übersehen und aus dem Fall Polens keine Folgerungen gezogen. Jedenfalls waren die Zustimmung der Franzosen an London und die Ermächtigung der RAF zu Angriffen gegen die obigen Ziele Vorbereitungen auf den strategischen Luftkrieg, dessen zweite Phase in der Nacht vom 10. zum 11. Mai begann und am 28. März 1942 endete. Jetzt wurden auch Angriffe auf offene Städte verzeichnet.
Am 10. Mai waren zwei Ereignisse eingetreten, über die die deutsche Öffentlichkeit erst nach dem Kriege die volle Wahrheit erfuhr. Während die deutschen Bomber und Jäger zum Angriff starteten und die deutschen Panzerarmeen ihren zügigen Vormarsch antraten, übernahm am 10. Mai der neuernannte Premierminister Sir Winston ChurchilI den Vorsitz im britischen Kriegskabinett. Mit ihm trat eine Persönlichkeit an die Spitze der englischen Kriegführung, die auch vor härtesten Massnahmen nicht zurückscheute, wenn sie ein geeignetes Mittel zur Durchsetzung der Kriegsziele zu bieten schienen. Unter ihm sollte im weiteren Verlauf der Luftkrieg eine bis dahin unbekannte Verschärfung erfahren. Dieser verschärfte Bombenkrieg richtete sich nicht nur gegen militärische Ziele, sondern nahm das gesamte gegnerische Potenzial zum Angriffsprojekt. Freilich kam im Wechselspiel der gegenseitigen Angriffe diese Verschärfung erst allmählich in Gang. Technische Unzulänglichkeiten wie auch Moral-politische Bedenken liessen diese Entwicklung nur schrittweise vor sich gehen. Es ist bekannt, dass ein grosser Teil des englischen Volkes während des ganzen Krieges mit dem unterschiedslosen Bombenkrieg, wie er sich dann entwickelte und auch die Wohngebiete der Städte nicht verschonte, nicht einverstanden war. Darüber, wie es schliesslich zu den Angriffen auf die deutschen Städte kam, gibt ein Bericht der US-Strategie Bombing Survey näheren Aufschluss, der am Ende dieses Abschnittes in Zusammenhang mit weiteren aufschlussreichen Angaben wiedergegeben wird. Das war das eine Ereignis.
Das andere Ereignis war ein Vorfall am Nachmittag des 10. Mai, der Göring, als er wenig später davon erfuhr, in erhebliche Aufregung versetzte. Er rief aus: „Dieser Feldzug fängt ja gut an. Die Luftwaffe und ich haben uns schwer blamiert. Wie kann man dies nur vor dem deutschen Volk verantworten?“ Es handelt sich um den berühmten und berüchtigten Bombenwurf auf Freiburg im Breisgau, der im OKW-Bericht vom 11. Mai erwähnt wurde:
„Der Feind griff am 10. Mai die Stadt Freiburg mit Bomben an und warf in der Nacht vom 10. zum 11. Mai Brand- und Splitterbomben auf drei Ortschaften im Ruhrgebiet, wobei zwei Zivilpersonen getötet, mehrere verletzt und geringer Sachschaden verursacht wurden“.
Die Nachricht, der Feind habe Freiburg angegriffen, war falsch. Vielmehr hatten einige deutsche Flugzeuge am 10. Mai um 15.59 Uhr ihre Bombenlast auf den Flugplatz und Bahnanlagen in Freiburg in der Meinung abgeworfen, sich über ihrem befohlenen Ziel bei Dijon zu befinden.
Durch eine mit äusserster Genauigkeit geführte Untersuchung wurde einwandfrei festgestellt, dass es sich um einen Fehlabwurf durch deutsche Flugzeuge bei verhältnismässig unsichtigem Wetter handelte. Die Besatzungen waren fest davon überzeugt, ihre Bomben, statt in das befohlene französische Ziel Dijon-Lonvic in das Ausweichziel Dole-Tavaux gebracht zu haben. Der Sachverhalt wurde absichtlich verschleiert und während des Krieges auch nicht mehr richtiggestellt. Es ist viel darüber geschrieben worden, aber die Version, Hitler habe diesen Angriff befohlen, lässt sich nicht halten. Im Gegenteil, Hitler machte Göring die heftigsten Vorwürfe.
Die im Zusammenhang mit dem Bombenwurf auf Freiburg von der deutschen Propaganda geäusserte Drohung, „von jetzt ab zu vergelten“, wurde erst wesentlich später in die Tat umgesetzt. Der OKW-Bericht vom 3. 1. 1941 nennt den 8. August 1940 den Tag, an dem die „Luftschlacht um England“ begann. Der erste schwere Angriff auf London fand aber erst einen Monat später, am 7. September 1940, statt.
Bis zum 25. Mai war der Durchbruch zum Kanal gelungen. Vom 20. Mai bis zum 4. Juni wurden starke Feindkräfte in Flandern gebunden und schliesslich bei Dünkirchen zusammengedrängt. Der Entschluss Hitlers, seine Panzer am 25. Mai anzuhalten, war auf Vorstellungen des Generalfeldmarschalls von Rundstedt zurückzuführen, der den Panzern in diesem ungünstigen Gelände weitere Offensiven nicht mehr zumuten wollte. Ausserdem glaubte Hitler, dem Rat und den Versprechungen Görings folgend, die deutsche Luftwaffe sei stark genug, jeden Abtransport von Truppen nach England zu verhindern. Es gelang aber der britischen Flotte unter dem Schutz der Jäger und Bomber der RAF 338 226 Mann nach England zu evakuieren, wobei sie durch das Wetter der beiden letzten Tage des Rückzuges – Nebel im Raum von Dünkirchen, Nebel über vielen deutschen Flugplätzen und spiegelglatte See – begünstigt wurde. Es war die erste grosse Enttäuschung im Verlaufe des bis dahin nur erfolgreich geführten Krieges und daran konnte auch die Kapitulation Frankreichs am 25. Juni wenig ändern.
Die Luftschlacht um England
Vom 21. Juli bis zum 6. September 1940 lief die erste Aktion der deutschen Luftwaffe gegen England, die als planmässige Bekämpfung der englischen Luftwaffe und ihrer Bodenorganisation, der Luftwaffen-Industrieziele und der Einfuhrtransporte bezeichnet wurde. In zeitlicher Überschneidung hierzu begann am 8. August die „Schlacht um England“.
Es ist bekannt, dass dem Entschluss, einen verschärften Luft- und Seekrieg gegen England zu führen, ein anderer Plan zugrunde lag, die Operation „Seelöwe“, wie der Deckname für die deutsche Invasion in England lautete. Hitler war unschlüssig, nachdem die Seekriegsleitung am 30. Juli dem OKW gemeldet hatte, dass sie die Hauptvorbereitungen dazu frühestens am 15. September abschliessen könne, und wollte erst die ersten Ergebnisse des verstärkten Luftkrieges abwarten. Am 2. August wurde die Anweisung Nr. 17 für die „Luftschlacht um England“ erlassen, die folgenden Wortlaut hatte:
- Die Luftwaffe hat mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und innerhalb kürzester Zeit die britischen Luftstreitkräfte zu vernichten. Die Angriffe haben sich vorerst gegen die Flugzeuge, ihre Bodenorganisation und den Nachschub zu richten; später sind sie auch auf die Flugzeugwerke sowie Flakmaterial erzeugenden Fabriken auszudehnen.
- Nach Erringung einer temporären oder lokalen Luftüberlegenheit sind auch die Häfen anzugreifen; zu zerstören sind insbesondere die Lebensmitteldepots, vor allem jene der Hauptstadt London. Die Angriffe auf die Häfen Südenglands sind im Hinblick auf unsere eigenen zukünftigen Operationen auf ein Mindestmass zu beschränken.
- Angriffe auf Kriegs- und Handelsschiffe sind, im Vergleich zu jenen die der Niederringung der feindlichen Luftstreitkräfte dienen, mit Ausnahme der nachstehend genannten Fälle als zweitrangig zu betrachten: Schiffsziele, die sich bei besonders günstiger Lage von selbst ergeben oder gegen die mit den in Punkt 2 genannten Angriffen (auf Häfen) zusätzliche interessante Wirkungen erzielt werden können und endlich die aus Gründen eines notwendigen Trainings der Besatzungen angegriffen werden müssen.
- Der verschärfte Luftkrieg ist so zu führen, dass zu jeder Zeit angemessen starke Luftstreitkräfte gegen ein günstiges Gelegenheitsziel eingesetzt werden können. Es sind überdies Jagdstreitkräfte für die Operation „Seelöwe“ bereitzuhalten.
- Die Anordnung von Vergeltungsangriffen bleibt vorbehalten.
- Der verschärfte Luftkrieg kann am 5. August 1940 beginnen. Der Generalstab der Luftwaffe setzt den genauen Zeitpunkt fest, indem er der Beendigung der Vorbereitungen und den meteorologischen Verhältnissen Rechnung trägt. Die Seekriegsleitung gibt zu gleicher Zeit die Massnahmen bekannt, die sie im Hinblick auf die Verschärfung des Seekriegs getroffen hat.
Die englische Propaganda hat es während des Krieges mustergültig verstanden, die allgemeine Lage bei der „Luftschlacht um England“ so hinzustellen, als ob eine zahlen- und personalmässig weit unterlegene RAF die deutsche Luftwaffe geschlagen habe. Der US-Strategie Bombing Survey nennt für den Beginn der Schlacht eine deutsche Gesamtstärke von 1’100 Jagdfliegern + 840 Bombern. Nach amtlichen Unterlagen waren an deutschen Jagdflugzeugen und Zerstörern einsatzbereit:
878 Jagdflugzeuge, aber nur 869 Besatzungen
320 Zerstörer, aber nur 268 Besatzungen
Von den Jagdflugzeugen lagen drei Gruppen in der Heimat, so dass sich die angegebene Zahl noch verringert. Rechnet man die Zerstörer Me 110 zu den Jagdflugzeugen, so kommt die Zahl des amerikanischen Berichts zustande. Aber praktisch hatten die Luftflotten 2 und 3 durchschnittlich nur 500 Jäger und 200 Zerstörer zur Verfügung. Churchill nennt ferner 1’015 Bomber + 346 Stukas, während Galland von rund 600 Bombern und höchstens 200 Stukas spricht.
Die britische Luftverteidigung dürfte unter dem „Fighter Command“ am 8. August 1940 rund 960 Jagdflugzeuge zur Verfügung gehabt haben. Das Verhältnis bei den Jagdflugzeugen war demnach etwa 1 :1, wenn die Briten nicht sogar etwas stärker gewesen sind.
Die Luftschlacht um England begann am 8. August 1940 und endete nach dem letzten Grossangriff mit über 500 Bombern auf London in der Nacht vom 10. Zum 11. Mai 1941.
Der deutsche Angreifer, der die gesamte belgisch-französische Atlantikküste gegenüber der britischen Südküste besass, hatte bei seinen Luftoperationen gegen England zwei strategische Vorteile: kurze Flugstrecken und eine vorteilhafte Infrastruktur, die es ermöglichte, aus weit ausgedehnten Stützpunkten zu konzentrischen Angriffen zu starten.
Die Hauptvorteile des britischen Gegners waren: Er verfügte über ein ausgedehntes Frühwarnsystem und über eine gut funktionierende Bodenorganisation und Bodenführung. Dadurch wurde die insulare Lage wieder zur Geltung gebracht. Der zweite Vorteil war die Tatsache, dass der Kampf der englischen Jäger sich fast immer über dem eigenen Boden abspielte. Ihre Verluste waren erheblich, sie wären aber im anderen Falle noch schwerer gewesen. Während von der Flugdauer der deutschen Jagdflugzeuge – höchstens 95 Minuten – die An- und Abflugzeit abgezogen werden musste, konnten die britischen Jagdflieger oft genug die ganze Flugdauer als taktischen Einsatz fliegen. Der dritte Vorteil waren die gewaltigen Anstrengungen der britischen Luftwaffenindustrie, die in wenigen Monaten das Bild zugunsten der britischen Jagdflieger veränderte.
Als erste Phase der Schlacht gelten die deutschen Grossangriffe vom 8. bis 18. August. Ein Jagdgeschwader sammelte sich meist in einer Höhe von 5’000 bis 6’000 m und stieg dann während des Fluges über den Kanal auf 7’000 bis 8’000 m und höher. Die Gruppen flogen aufgelockert in verschiedenen Höhen gestaffelt, meist als Begleitschutz für Stukas oder Bomber. Da der An- und Abflug über den Kanal je eine halbe Stunde in Anspruch nahm, blieb für den eigentlichen taktischen Zweck nur eine kurze Zeitspanne von 20 bis 30 Minuten. Praktisch hiess das, dass unsere Jagdgeschwader nur den Süden und Südosten von England und den Raum von London erreichen konnten, dass ferner unsere schwachbewaffneten Bomber über diesen Raum ungeschützt weiterfliegen mussten und eine leichte Beute der Spitfires und Hurricanes wurden. Der Gegner zog also seine Jagdverbände aus dem gefährdeten Raum zurück, belegte die bombardierten und meist über Nacht wiederhergestellten Flugbasen nur kurzfristig zum Einsatz, baute in den weiten ungestörten Räumen der Insel Flugzeuge, bildete Piloten aus und stellte neue Verbände auf. Als die deutsche Führung eingesehen hatte, dass sie mit der Jagdwaffe allein nicht die Luftherrschaft erringen konnte, setzte sie ihre fliegende Artillerie, die Bomberwaffe, ein, wobei sich das Fehlen einer starken Fernbomberwaffe bald bemerkbar machte. Seit dem 8. August griffen die Bomber Flugplätze und Industriewerke der Flugzeug- und Flugmotorenherstellung an. Am Mittag des 13. August wurde der erste Grossangriff gegen Seestützpunkte, Radarstationen und Jagdflugplätze im Süden und Südosten Englands geflogen. Der Grossangriff am 16. August richtete sich auf die Flugplätze um London. Bis zum 18. August wurden diese Angriffe fortgesetzt.
In der zweiten Phase der Luftschlacht vom 19. August bis zum 6. September wurden Flugplätze im Innern von England angegriffen. Zum Teil wurden diese Angriffe von kleinen Bomberverbänden unter starkem Jagdschutz geflogen, zum Teil wiederum als „freie Jagd“. Andere Angriffe richteten sich gegen wichtige Industrieziele, wie die Spitfire Fabrik in Southhampton und die Lager von Brookland, wo erhebliche Schäden entstanden. Sie hätten für die britische Produktion von Jagdflugzeugen ernsthafte Folgen gehabt, wäre in den zwei Monaten Atempause nach Dünkirchen nicht vorgesorgt worden. Das Hauptziel der deutschen Luftwaffe, die britischen Jäger herauszulocken, zum Kampf zu stellen und zu vernichten, konnte auch in dieser Phase nicht erreicht werden, weil die britischen Jäger den Befehl erhalten hatten, möglichst nur die deutschen Bomber anzugreifen und Luftkämpfe mit deutschen Jägern zu vermeiden.
In der dritten Phase vom 7. September bis zum 5. Oktober kam die Luftschlacht auf ihren Höhepunkt. Am Nachmittag des 7. September sammelte sich eine Armada von mehr als 1’000 Flugzeugen, Bomber und Stukas geschützt von Jägern und Zerstörern, an der Kanalküste, nahm Kurs auf die Riesenstadt an der Themse und flog den ersten Grossangriff auf London, wo hauptsächlich Markt- und Lagerhallen, Güterbahnhöfe und Docks, der „Bauch“ von London, angegriffen wurden. Das Ringen um die Entscheidung erreichte seinen Höhepunkt am 15. September und dauerte bis zum 26. dieses Monats, aber am 27. war ein derartiges Nachlassen des deutschen Druckes auf die britische Luftverteidigung zu spüren, dass die Briten mit Recht annahmen, die „Schlacht um England“ gewonnen zu haben. Alles hatte in diesen Tagen auf des Messers Schneide gestanden, weil die Ausfälle an britischen Jagdpiloten ein solches Ausmass erreicht hatten, dass man auf Flugzeugführer der Bomber und Küstenüberwachungs-Kommandos zurückgreifen musste. Aber auch auf deutscher Seite waren die Ausfälle an Bombern trotz des starken Jagdschutzes gestiegen. Der Schutz der Bomber durch Jagdflugzeuge vom Typ Me 109 war deshalb problematisch, weil dieses auf hohe Geschwindigkeit gezüchtete Flugzeug viel zu schnell und für rein defensive Aufgaben dieser Art nicht geeignet war. Die Begleitjäger konnten auf einen verspäteten Bomberverband nicht warten, schlossen sich einem anderen Verband an oder flogen freie Jagd. Da die Bomber wesentlich langsamer flogen, war es für die Jäger schwierig, am Verband zu bleiben, und auf jeden Fall war, wie schon wiederholt betont, ihre Flugdauer zu kurz. Da man damals keine Langstreckenjäger hatte, hätte man mehr Jäger haben müssen, um die Bomberverbände in Ablösungen zu schützen, wie es später von alliierter Seite geschah. Auch auf deutscher Seite war der Ausfall von Jagdpiloten sehr gross. Das Jagdgeschwader 26 hatte allein in der Zeit vom 13. August bis zum Januar 1941 nicht weniger als 24 Piloten als gefallen und vermisst, 4 als verunglückt und 26 als gefangen, zusammen 54 alte erfahrene Piloten verloren. Das ist die Hälfte der Besatzungen eines Geschwaders!
In der vierten Phase vom 6. bis 31. Oktober wurden hauptsächlich Angriffe durch Jäger mit Me 109 als Jagdbomber und Zerstörer mit Me 110 und Me 210 geflogen. Da die Bombenlast sehr gering war, hatten diese Störangriffe keine allzu grossen Erfolge.
Am 1. November 1940 begann die fünfte und letzte Phase der Luftschlacht mit schweren Nachtangriffen gegen London, Liverpool, Birmingham, Manchester, Southhampton, Glasgow, Edinburgh und andere grosse britische Städte. Die deutschen Bomber flogen bis zu drei Einsätze in der Nacht und warfen bis zu 1000 Tonnen Bomben in ihre Ziele, eine für damalige Verhältnisse unerreichte Leistung. Bekannt ist der Angriff auf Coventry, Sitz einer bedeutenden Flugzeugindustrie, in der Nacht vom 14. zum 15. November 1940. Auch London musste im November noch viele Nachtangriffe über sich ergehen lassen. Die fünfte Phase endete mit einem Grossangriff in der Nacht vom 10. zum 11. Mai auf London. Der letzte Abschnitt der Luftschlacht um England, der von der deutschen Luftwaffe „strategisch“ geführt wurde, zeigte, dass sie der Aufgabe eines selbständigen, auf lange Sicht berechneten strategischen Luftkrieges nicht gewachsen war. Es gelang ihr nicht, die britische Produktion entscheidend zu schwächen, die Versorgung Englands ernstlich zu gefährden oder die RAF zu vernichten. Und Göring hatte bei der Luftwaffenkonferenz in ’s-Gravenhage, in der die Vorbereitungen für den verstärkten Luftkrieg besprochen wurden, die Meinung vertreten, die Luftherrschaft könne über England innerhalb von 13 Tagen errungen werden, da es möglich sei, die englische Jagdwaffe in dieser Zeit in der Luft und am Boden zu vernichten. Als am 11. Mai die Schlacht abgebrochen wurde, war die RAF längst aus der Defensive zur Offensive übergegangen und ihr Jagdflieger-Kommando hatte sich von den schweren Schlägen gut erholt.
Somit war an diesem Tage die „endgültige“ Entscheidung in der „Luftschlacht um England“ und zugleich – wie die Zukunft erweisen sollte – auch die „endgültige“ Entscheidung für den weiteren Verlauf des zweiten Weltkrieges gefallen. Deutschland hatte zwar dadurch den Krieg noch nicht völlig verloren, konnte ihn aber nach dieser Entscheidung nie mehr gewinnen.
Die deutsche Bomberwaffe hatte bei dieser Luftschlacht so schwere Verluste an Material und Personal erleiden müssen, dass sie im ganzen weiteren Verlauf des Krieges nie wieder auf einen Stand gebracht werden konnte, der auch nur einigermassen für die Durchführung eines „strategischen“ Luftkrieges ausreichend gewesen wäre, zumal ihre Bestände im folgenden Feldzug gegen Sowjet-Russland, vielfach dazu noch in falschen „taktischen“ Einsätzen, aufgerieben wurden.
Dagegen konnte England nun dazu übergehen, von der Insel, dem „Flugzeugträger gegen Europa“, aus den strategischen Luftkrieg gegen Deutschland zu beginnen und später zusammen mit den USA bis zu seinem Endziel, der völligen Niederwerfung Deutschlands, durchzuführen. Hätten die Piloten der englischen Jagdwaffe in den neun Monaten vom Anfang August 1940 bis Anfang Mai 1941 nicht durchgehalten, hätte dem strategischen Luftkrieg gegen Deutschland, der nach dem damaligen technischen Stand hätte von keiner anderen Stelle aus durchgeführt werden können, jede Voraussetzung gefehlt.
Über die Verluste der deutschen Luftwaffe sagt der US-Strategie Bombing Survey aus, dass die RAF während der Etappe der Tagesangriffe im September 1940 900 Bomber und 1’000 Jäger zerstört oder beschädigt habe, während der Etappe der darauf folgenden Nachtangriffe 1’475 Jäger und 1’850 Bomber. Nach authentischen britischen und deutschen Quellen liegen über die Totalverluste vom 10. Juli 1940 bis zum 31. Oktober 1940, also bis zum Beginn der deutschen Nachtangriffe, detaillierte Zahlen vor. Demnach verlor das Jäger-Kommando der RAF in diesem Zeitraum 915 Flugzeuge, ferner 375 Jagdpiloten als Gefallene und 358 als Schwerverletzte. Nach britischen Behauptungen während des Krieges betrugen die deutschen Verluste an Bombern und Jägern 2’698 Flugzeuge. Nach deutschen Berichten zur Zeit der Schlacht waren es nur 896 Flugzeuge, die tatsächlichen Verluste auf deutscher Seite waren aber 1’733 Bomber und Jäger, alle Angaben auf den oben genannten Zeitraum bezogen.
Während der »Schlacht um England“ konnten verloren gegangene Flugzeuge aus der laufenden Produktion ersetzt werden. Was sich aber nicht ersetzen liess, das waren die erfahrenen, teilweise noch im Frieden gründlich ausgebildeten fliegenden Besatzungen, die in den folgenden Jahren der deutschen Luftverteidigung fehlen sollten.
Vom Luftkrieg im Süden, Südosten und Osten
Die Feldzüge gegen Jugoslawien und Griechenland brachten, was den Einsatz der Luftwaffe betrifft, keine neuen Erkenntnisse. Gegen Jugoslawien bewährte sich erneut die deutsche Methode, zuerst durch einen massierten Einsatz die Luftstreitkräfte des Gegners zu zerschlagen und anschliessend die eigene Luftwaffe nur noch rein taktisch zur Unterstützung des Heeres einzusetzen. In Griechenland waren die feindlichen Luftstreitkräfte, obwohl dort einige britische Fliegerverbände, meist Jäger vom Typ Gloster »Gladiator“, stationiert waren, der deutschen Luftwaffe derart unterlegen, dass man sich den einleitenden Grossangriff ersparen konnte. Auch hier zeigte sich wiederum die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen Luftwaffe und Heer.
Nach dem Eintritt Italiens in den Krieg wurden auch die italienischen Besitzungen in Nordafrika in die Kriegshandlungen einbezogen. Die Kämpfe dort, im ganzen mittelmeerischen Raum, die Eroberung Kretas und die Angriffe auf Malta erforderten immer wieder den Einsatz von Jägern, Stukas und Transportmaschinen und trugen zu einer weiteren Verminderung des deutschen Luftwaffenpotentials bei. Da seit dem 22. Juni 1941 das Gros der deutschen Luftwaffe, am Anfang 1’300 Flugzeuge, in der Sowjetunion eingesetzt war, konnte die deutsche Führung an alle diese Kriegsschauplätze im Südosten, Süden und auch im Westen nur wenig fliegende Verbände als Verstärkung entsenden. Diese Verzettelung der deutschen Luftwaffe auf sämtliche Fronten führten schliesslich dazu, dass sie ihre Luftherrschaft nicht halten konnte und sie an den Gegner verlor.
Der Krieg gegen die Sowjetunion hatte nur eine mittelbare Bedeutung für den Luftkrieg über Deutschland, zum Beispiel, dass zeitweilig die Prioritäten der Panzer, denen der Flugzeuge vorangingen. Die sowjetische Luftwaffe war, ebenso wie die deutsche, auf die Zusammenarbeit mit dem Heer eingestellt. Einen strategischen Luftkrieg führten die Sowjetrussen nicht, weil die Anglo-Amerikaner diese Aufgabe übernommen hatten. Es ist im Sinne dieser Dokumentation nicht notwendig, den Luftkrieg mit Sowjetrussland dem Verlauf nach zu schildern. Die fliegenden Verbände, Bomber, Jäger und Transporter, dazu Schlachtflugzeuge, hatten in der befohlenen Zusammenarbeit mit dem Heer hervorragende Erfolge aufzuweisen, sie wurden aber material- und personalmässig im Laufe der Jahre aufgerieben. Ein Ruhmesblatt der deutschen Transportflieger war die Versorgung der Kessel von Cholm und Djemjansk, woraus Göring trotz der Warnungen seines Generalstabschefs Jeschonnek und der zuständigen Luftflotte 4 den „positiven“ Schluss zog, es müsse auch möglich sein, den Kessel von Stalingrad mit mindestens täglich 300 t Verpflegung, Material und Munition zu versorgen. Bei diesen Versorgungsflügen für Stalingrad büssten die Transportverbände rund 500 Flugzeuge und etwa 1’000 Mann fliegendes Personal ein“.
Die Ausweitung des Krieges nach allen Seiten forderte immer grössere Anstrengungen der deutschen Rüstungsindustrie und der gesamten deutschen Wirtschaft. Versäumnisse, die beim Aufbau der Luftwaffe vor dem Kriege begangen worden oder die einfach zwangsläufig und unvermeidlich gewesen waren, liessen sich nicht mehr aufholen. Die deutsche Bomberwaffe konnte jetzt nicht mehr auf einen solchen Stand gebracht werden, den sie neben ihren taktischen Aufgaben für strategisch wirkungsvolle Luftangriffe gegen England hätte haben müssen. Denn jetzt machte sich auf beiden Seiten die technische Entwicklung fortschreitend bemerkbar, wobei man aber dem einmal eingeschlagenen Weg folgen musste. Um neue Dinge zu schaffen, war es zu spät, und schliesslich sind sogar die USA aus guten Gründen mit den viermotorigen Bombern Boeing „Fortress“ und Consolidated „Liberator“ in den Krieg eingetreten, obgleich sie auch andere Projekte entwicklungsreif fertiggestellt hatten, wie zum Beispiel den Douglas-Bomber B-19, der bereits 1940 12’500 km flog und um ein Drittel grösser war als der gegen Japan eingesetzte Bomber Boing B-29 „Superfortress“.


Die Einflüge der britischen Bomberwaffe hatten den bereits geschilderten Zweck, für die späteren Grossangriffe Erfahrungen zu sammeln, die Besatzungen mit dem Nachtflug über deutschem Gebiet vertraut zu machen, den Nachschub zu stören und die Zivilbevölkerung zu beunruhigen, unter denen es immer wieder Tote und Verletzte gab. Nach Abbruch der „Schlacht um England“ mehrten sich die Nachtangriffe. Sie richteten sich anfangs gegen Industrieziele. Was der englische Premierminister Sir Winston Churchill dachte, geht aus seiner Rede in der County Hall vom 14. Juli 1941 hervor: „Wir jammern nicht um Gnade. Wenn heute die Bevölkerung gefragt würde, ob das Bombardement durch Konventionen abgeschafft werden sollte, würde die überwiegende Zahl antworten: ,Nein, wir wollen uns mit den Deutschen weitermessen und ihnen alles noch gründlicher heimzahlen'“. Grosser Beifall! Daher wurde auch ab Juli 1941 dem britischen „Kommando der Bombenflieger“ die Aufgabe gestellt, das deutsche Verkehrsnetz zu stören und durch „Flächenangriffe“ vor allem auf Städte des Industriegebiets an der Ruhr und im Rheinland die Moral der Bevölkerung zu zermürben. Bei diesen Angriffen gewann der Abwurf von Brandbomben immer mehr an Bedeutung und betrug, wenn es sich um Ziele in Städten handelte, etwa 50 Prozent der abgeworfenen gesamten Bombenmenge. Die Taktik bestand dabei noch in der Form des „Angriffes in Wellen“. Die erzielten Erfolge waren gering. Die Störungen der Produktion waren kaum nennenswert und dazu noch weniger auf die tatsächlich angerichteten Schäden als vielmehr auf die Arbeitsunterbrechungen durch die Luftalarme zurückzuführen. Ebenso war die moralische Wirkung auf die Bevölkerung ganz unbedeutend. Obwohl im Laufe des Jahres 1941 nach den Angaben von Air Chief Marshai Bottomley immerhin schon 35’000 Tonnen Bombenlast auf deutsches Gebiet abgeworfen wurden, blieben in diesem Jahr die Luftangriffe praktisch ohne lohnenden Erfolg.
Beim Einsatz gegen die besetzten Westgebiete wurden neben einigen Bombenangriffen auf besonders wichtige Ziele, wie den Kriegshafen Brest, chemische Fabriken bei Bethune, U-Boots-Stützpunkte und dergleichen, und, vor allem durch Jabos und Jäger, Störangriffe gegen Verkehrsziele und Flugplätze unternommen, um die deutschen Jäger zum Kampf zu stellen.
Am 11. Dezember 1941 erklärte Hitler den Vereinigten Staaten den Krieg, nachdem die Japaner am 8. Dezember Pearl Harbour überfallen und damit ihren Krieg gegen die USA eröffnet hatten. Wie man nach dem Kriege aus der amerikanischen Veröffentlichung“ The Army Air Forces in World War II“ erfuhr, hatten die USA mit dieser Möglichkeit bereits gerechnet und die entsprechenden Vorbereitungen dafür getroffen. Auch waren im Rahmen des 1941 abgeschlossenen Pacht-Leih-Abkommens der RAF die ersten „Fliegenden Festungen“, 20 viermotorige Bomber Boeing „Fortress“ B-17 A geliefert worden. Die Briten hatten damit in 39 Einsätzen bis September 1941 wenig Glück, weil sie die Bomber falsch einsetzten, zum Beispiel einzeln oder in kleinen Verbänden und in zu grossen Höhen fliegen liessen und weil sich die Anordnung der Verteidigungsbewaffnung als ungeeignet erwies.
Am 23. Februar 1942 hatte in England Air Marshai Sir Arthur T. Harris, als „Bomber-Harris“ in die Geschichte eingegangen, den Befehl über das Kommando der
Bombenflieger der RAF übernommen. Das war ohne Zweifel ein ebenso fähiger wie energischer Offizier. Von jetzt an zeigte die Luftkriegführung eine planvolle Verschärfung. In der Nacht des 3. März 1942 richtete die RAF den ersten wirklich strategischen Grossangriff mit starken Kräften gegen die Renault-Werke in Paris. Dabei verfehlten viele Bomben ihr militärisches Ziel und trafen stattdessen die benachbarten Arbeiterviertel, bei denen es 250 Tote gab. Sehr bald begannen die „Flächenangriffe“ auf deutsche Städte. Damit hatte die Stunde der deutschen Reichsverteidigung geschlagen.
Nach dem Erfolg der britischen Luftverteidigung in der „Luftschlacht um England“ hatte man nun auf deutscher Seite die Möglichkeiten der Luftverteidigung stark überschätzt und erwartet, die Angriffe der RAF ebenso erfolgreich abwehren zu können. Aber man hatte bei dieser Ansicht die grundverschiedene taktische Lage nicht genügend in Rechnung gestellt. Die deutschen Angriffe stiessen zwangsläufig stets in das Zentrum der britischen Jagdabwehr hinein, da die Angriffsziele auf der Insel in einem verhältnismässig kleinen Raum konzentriert lagen. In Deutschland dagegen verteilten sich lohnende Ziele auf einen derart grossen Raum, dass es unmöglich war, „überall“ Schwerpunkte der Verteidigung durch Jäger und Flak zu bilden. Die RAF konnte daher durch Scheinanflüge mit plötzlicher Kursänderung die deutsche Jagdabwehr weitgehend irreführen und zersplittern und überdies durch ständigen Wechsel ihrer Angriffsräume auch eine Schwerpunktbildung der Flak-Aufstellung ausserordentlich erschweren. So kam es, dass es der deutschen Luftverteidigung nicht gelang, die britischen Angriffe erfolgreich abzuwehren oder gar zu unterbinden, obwohl seinerzeit die deutschen Jagdfliegerverbände im Westen noch über eine beachtliche Stärke und Kampfkraft verfügten und auch die deutsche Flak gute Abschussergebnisse erzielen konnte. Stattdessen wuchs die Zahl und Wucht der britischen Luftangriffe im Laufe des Jahres 1941 zwar noch langsam, aber stetig an.
Die dritte Phase
28./29. März 1942 bis Ende des Jahres 1942
In der Nacht zum 29. März beginnt die dritte Phase, die sich bis zum Ende des Jahres 1942 erstreckt und unter dem Zeichen der „Flächenangriffe“, die Briten nannten sie „area bombing“, steht. Das erste Opfer dieser neuen Taktik war die alte Hansestadt Lübeck, über der in der Nacht vorn 28. zum 29. März 200 bis 300 britische Bomber eine Bombenlast von rund 500 Tonnen Spreng- und Brandbomben abwarfen. Die Bevölkerung hatte mehr als 300 Tote, was der OKW-Bericht „einige Verluste“ nannte, um die begreifliche Unruhe im deutschen Volk nicht noch mehr zu vergrössern. 12 Bomber wurden von der Nachtjagd, Flak und Marineartillerie abgeschossen. Die neue Taktik bestand darin, eine möglichst grosse Anzahl von Bombern in einem möglichst kurzen Zeitraum über dem Ziel zu konzentrieren. Navigatorisch und technisch erforderte das grösste Genauigkeit und Anstrengungen. In der Nacht zum 25. April und in der darauffolgenden griffen britische Bomber Wohnviertel in Rostock mit ähnlicher Wirkung wie bei Lübeck an. Einen Markstein in der Geschichte des Luftkrieges gegen Deutschland stellte der erste „Tausend-Bomber-Angriff“ der RAF auf Köln in der Nacht vom 30. Zum 31. Mai dar. Luftmarschall Harris hatte alles zusammengerafft, was er an Bombern zur Verfügung hatte. 1’130 Bomber warfen innerhalb 90 Minuten Bomben in einem Gesamtgewicht von etwa 1’500 Tonnen ab. Die Zivilbevölkerung hatte 460 Tote. Allerdings hatte die RAF diesen Angriff mit 36 abgeschossenen Bombern zu bezahlen. Zwei weitere „Tausend-Bomber-Angriffe“ wurden auf Essen in der Nacht zum 1. Juni und auf Bremen in der Nacht zum 26. Juni geflogen. Bei Bremen wurden 52 Bomber von der deutschen Abwehr abgeschossen. Ausserdem folgten noch viele schwere, nach der Taktik des „area bombing“ durchgeführte Angriffe auf Wilhelmshaven, Mainz, Kassel, Düsseldorf und andere deutsche Städte und Industriezentren. Bis zum 1. September wurden insgesamt 25 deutsche Städte mit jeweils mehr als 100 Bombern angegriffen.
Dabei wurde im August 1942 zum ersten Mal die „Pfadfinder“-Taktik angewendet, die darin bestand, dass dem Bomber-Gros die „Pfadfinder-Flugzeuge“ – fast durchweg Mosquitos – voraus flogen und das „Flächenziel“ durch Abwurf von Leuchtzeichen „absteckten“. Dieses Verfahren stellte eine wesentliche Verbesserung der Nachtangriffsmethoden dar. Nach englischen Angaben wurden im Laufe des Jahres 1942 1’000 Angriffe auf das deutsche Reichsgebiet geflogen, darunter 17 schwere mit einer Abwurfmenge von mehr als 500 Tonnen. Zu diesen Angriffen nehmen der englische Generalmajor J. F. C. Fuller, der amerikanische Luftkriegstheoretiker A. de Seversky und viele andere Militärschriftsteller den sehr wichtigen Standpunkt ein, dass der militärische Wert solcher Angriffe nur sehr gering war. Wie nun Luftmarschall Lord Tedder in seinem Buch „Air Power in War“) offen zugibt, waren für die Wahl dieser Angriffstaktik drei Gründe massgebend:
- Die Annahme, die deutsche Kriegsproduktion sei bereits 1942 bis zum Äussersten angespannt, sodass jeder industrielle Schaden, auch wenn er die Rüstungsbetriebe nicht direkt beträfe, sich nachteilig auf deren Produktion auswirken müsste. Man rechnete damit, dass durch die materiellen Schäden an Fabriken allgemeiner Art, an Kraftwerken, öffentlichen Einrichtungen usw. sowie durch das Absinken der Moral und der Leistungsfähigkeit der wohnungslos gewordenen Arbeiter die gesamte deutsche Produktion und dadurch die wirkliche Rüstungsproduktion um ein Drittel oder sogar noch mehr herabgesetzt werden würde.
- Nachtangriffe auf Einzelziele waren bei dem damaligen Stand der Entwicklung der Zielgeräte und Navigationsmittel nur in mondhellen Nächten mit Aussicht auf Erfolg durchführbar. Dadurch war naturgemäss die Zahl der möglichen Angriffe stark beschränkt. Dazu trat, dass Nachtangriffe bei mondhellen Nächten durch die wesentliche Verstärkung und Verbesserung der deutschen Nachtjagd zunehmend verlustreicher wurden.
- Die Tatsache, dass die deutsche Luftwaffe in der „Schlacht um England“, vor allem in deren letzter Phase bei den Angriffen auf London, sich nicht auf rein militärische Ziele beschränkt hatte, erleichterte es, auch die moralischen Bedenken gegenüber den militärischen Erfordernissen zurückzustellen.
Die erwartete Wirkung trat allerdings nicht ein. Die deutsche Führung hatte noch lange nicht alle Kräfte und Mittel für die Kriegsproduktion mobilisiert und verfügte noch über Reserven und Ausweichmöglichkeiten. Damit blieb der materielle Erfolg aus, aber auch die Spekulation auf die Demoralisierung der Bevölkerung erwies sich als eine Fehlrechnung. Das Gegenteil wurde erreicht. Der Widerstandswille wurde versteift und daneben entstanden bisher nicht vorhandene „Hassgefühle“ , die natürlich von der Propaganda entsprechend geschürt wurden. Diese völlig „negative“ Wirkung war die gleiche, wie sie die deutschen Angriffe auf englische Städte hervorgerufen hatten.
Tagesangriffe auf westdeutsches Gebiet erfolgten meist durch“ Wellingtons unter Wolkenschutz. Eine Ausnahme bildeten die Tagesangriffe von „Lancasters“ auf die MAN-Werke in Augsburg am 17. April 1942 und auf Industrieziele in Danzig am 11. Juli 1942, sowie derjenige mit „Mustangs“ auf den Dortmund-Ems-Kanal. Im Ganzen waren es bis Oktober 1942 nicht weniger als 45 von diesen kühnen Angriffen, die zum Teil für die RAF sehr verlustreich waren. So kamen von den 12 gestarteten Lancasters, die Augsburg angriffen, nach englischen Angaben nur 8 ans Ziel, von denen 7 abgeschossen wurden.
Im April begann die Verschiffung des Personals der 8. amerikanischen Luftflotte nach Liverpool. Die viermotorigen Bomber Boeing B-17 wurden von den eigenen Besatzungen auf dem Luftwege überführt. Bis Ende 1942 waren 882 Flugzeuge in Schottland gelandet. Aber Tagesangriffe auf deutsches Reichsgebiet unternahm die 8. AAF im Jahre 1942 noch nicht, sondern sie operierte zunächst tastend und vorsichtig über den besetzten Westgebieten, um ihre Besatzungen einzugewöhnen.
Die deutsche Lufttätigkeit im Westen war sehr beschränkt, da das Gros der deutschen Bomberwaffe im Feldzug gegen Sowjetrussland und der Rest fast völlig im Mittelmeerraum (Afrika und Malta) gebunden waren. Es konnten gegen England nur vereinzelte schwache Angriffe geflogen werden. Dagegen war die deutsche Jagdwaffe, obwohl auch sie durch die in Russland und im Mittelmeerraum eingesetzten Verbände stark beansprucht war, von beachtlicher Leistungsfähigkeit und numerischer Stärke. Auch die Flak-Artillerie des deutschen Heimatschutzes war nicht zu unterschätzen. Aber beide waren doch zu schwach, um das Anwachsen der britischen Luftangriffe zu vereiteln. Das Jahr 1942 war entscheidend für den weiteren Verlauf des Luftkrieges, denn in diesem Jahr legte die angloamerikanische Luftwaffe durch ihre technische und zahlenmässige Entwicklung und ihren Einsatz den Grundstock zu ihrer Luftüberlegenheit.
Im Juli 1940 begann General Kammhuber die Nachtjagd im grösseren Stil zu organisieren, zunächst als Nachtjagd mit „hellen Riegeln“, die durch Scheinwerfer erhellt wurden. Ab Oktober 1940 wurden Würzburg-Geräte und später auch Freya-Geräte geliefert. Durch Holland, Belgien und Frankreich zog sich jetzt ein „dunkler Riegel“, der in „Räume“ aufgeteilt war. Im Juni 1941 wurde aus der 1. Nachtjagddivision das XII. Fliegerkorps (Nachtjagd). Wir können an dieser Stelle nicht in die an sich interessanten Einzelheiten der Nachtjagd und ihrer Verfahren gehen, stellen aber zusammenfassend fest, dass sie einen beachtlichen Erfolg errang. Bei dem Angriff auf Köln hatten die Nachtjäger bereits den 600. Abschuss zu verzeichnen. Im September 1942 waren es 1’000 und bis März bereits 2’000, davon etwa 80% viermotoriger Bomber.
Der US-Strategie Bombing Survey bemerkt zu der deutschen Flugzeugproduktion kritisch, das Flugzeug-Produktionsprogramm für 1940 und 1941 zeige, dass man an höchster Stelle eine Expansion der deutschen Luftwaffe grossen Stiles nicht für notwendig gehalten habe. Tatsächlich hatte die deutsche Flugzeugindustrie 1941/42 eine schwere Produktionskrise zu überwinden, die vor allem auf Fehldispositionen der obersten deutschen Führung (Generalluftzeugmeister) und Fehlkonstruktionen der Industrie zurückzuführen war. Währenddessen lief die britische Flugzeugindustrie ungestört auf vollen Touren und die USA konnten nach 1941 mit 19’433 Flugzeugen im kritischen Jahr 1942 bereits eine Gesamtproduktion von 47’836 Flugzeugen, darunter 2’615 viermotorige Bomber, erreichen. Hierzu schreibt der Bombing Survey: „Und wieder war die deutsche Reaktion merkwürdig apathisch; dass das Oberkommando die Produktionszahlen der Alliierten nicht glaubte, ist ein Beweis dafür“. Die von der deutschen Luftwaffe mit grossen Hoffnungen erwarteten neuen Typen blieben aus, und selbst die gesteigerte Produktion der bewährten und inzwischen noch verbesserten Ju 88 konnte diese Lücken nicht schliessen. Bei den Bomben erfolgte die Entwicklung nach zwei Richtungen: Erstens wurde die Wirkung der verschiedenen Bombenarten durch die Verwendung neuer Sprengstoffe und die Verbesserung der Konstruktionen beträchtlich verbessert. Bei der Bekämpfung von Gebäudezielen traten an die Stelle der bisher üblichen Sprengbomben immer mehr die Bomben mit Minenwirkung, da diese eine wesentlich grössere Zerstörungskraft gegenüber diesen Zielen aufwiesen. Zweitens ging man dazu über, Bomben mit beträchtlich grösserem Gewicht zu bauen. Im Frühjahr 1942 wog die schwerste Bombe noch 900 kg, im Sommer gab es schon welche von 1’800 kg und bereits im Herbst 1942 wurden erstmalig Bomben von 3’600 kg abgeworfen. Auch die Brandbomben wurden ganz wesentlich verbessert.
Aber noch ein anderes Problem begann die deutsche Luftwaffe zu beschäftigen. Sie hatte bis 1942 bereits eine Menge guter und bewährter Piloten verloren und musste diese ersetzen. Der „Bombing Survey“ schreibt dazu: „Im Jahre 1942 wurde ein gesteigertes Programm für die Piloten-Ausbildung in Betracht gezogen, aber dieses Programm wurde durch die Verknappung von Flugbenzin behindert. Anstatt eine geringere Anzahl von Piloten gründlich auszubilden, entschlossen die Deutschen sich, eine grössere Zahl schlechter ausgebildeter Piloten zu haben, wobei sie mit der Tatsache rechneten, dass sie in der Schlacht unter der Leitung der Veteranen Erfahrungen sammeln könnten. Die Ergebnisse dieser Grundsätze sollten sich in späteren Jahren als katastrophal herausstellen“.
Die vierte Phase
„Rund um die Uhr“
Das obengenannte „Düppelverfahren“, den Abwurf von Aluminiumfolien, wandten die Briten zum ersten Mal in der Nacht vom 23. zum 24. Juli 1943 beim Grossangriff auf Hamburg an. Dadurch wurde die gesamte deutsche Verteidigung lahmgelegt. Am 25. Juli erfolgte ein amerikanischer Tagesangriff und in der darauffolgenden Nacht wieder ein schwerer Angriff der RAF und abwechselnd weiter bis zur Nacht vom 28 ./29. Juli. Diese Taktik nannten die Alliierten „round the clock bombing“.
Die schwersten Nachtangriffe der RAF in den ersten acht Monaten des Jahres richteten sich gegen folgende Städte:

Auf Berlin fielen in der Zeit vom 18. November 1943 bis Ende des Jahres noch weitere 14’000 Tonnen Bomben.
Ausserdem wurden etwa 1’000 nächtliche Störangriffe auf 40 Städte geflogen, meistens durch „Mosquitos“.
Die Tagesangriffe der Amerikaner richteten sich vor allem gegen deutsche Flugzeugwerke und deren Zubehörindustrie. Auf Objekte grösseren Ausmasses wurden „Bombenteppiche“ geworfen.
Besondere Erwähnung verdient der von der RAF sorgfältig vorbereitete Nachtangriff auf die Eder-Möhne-Talsperre vom 16./17. Mai 1943. Hierfür wurden eigens für diesen Zweck hergestellte zylinderförmige Riesenbomben verwendet, die durch eine in die Lancaster eingebaute Apparatur vor dem Abwurf in Rotation versetzt wurden. 19 Lancaster hatten diesen Angriff durchgeführt. 11 kehrten nach England zurück. Die Sperrmauern der Eder- und Möhnetalsperre wurden eingerissen. Der Schaden an Menschenleben, Material und Produktionsausfall war ausserordentlich.
Im Ganzen wurden im Jahre 1943 135’000 Tonnen auf deutsches Reichsgebiet von den Alliierten geworfen, trotzdem war das Ergebnis für die alliierte Führung enttäuschend, wie Lord Tedder in seinem Buche zugibt. Die deutschen Anstrengungen, der Lage wieder Herr zu werden, spiegeln sich auch in der Verstärkung der Flakartillerie des Heimatgebietes wieder:
1942 rund 439’000 Mann
1943 rund 600’000 Mann
1944 rund 900’000 Mann.
In diesem Zusammenhang muss auf den Angriff amerikanischer Viermotoriger auf die Erdölraffinerien in Ploesti hingewiesen werden. Da die Öl- und Benzinlieferungen aus diesem ergiebigen rumänischen Erdölvorkommen für die deutsche Wehrmacht von grösster Bedeutung waren, bereiteten die Amerikaner in Nordafrika ihren Angriff sorgfältig vor. Der US-Strategie Bombing Survey nennt das Unternehmen vom 1. August 1943 einen „dramatischen Tiefangriff“ . Heute liegen die genauen Zahlen vor; es war die schlimmste Katastrophe der USAAF, die sie im ganzen Krieg erlitten hat, herbeigeführt durch die deutsche und rumänische Flak, die hier ihren grössten Erfolg errangen. Von 177 gestarteten Liberator-Bombern kamen nur 11 zurück. 3 verunglückten beim Start oder stürzten unterwegs ab. 54 wurden über Rumänien oder Ploesti abgeschossen. 440 Mann waren getötet oder vermisst, 54 verwundet. 79 Mann landeten in der Türkei und wurden dort interniert und 200 wurden gefangen genommen. Dabei war der Erfolg des Unternehmens äusserst gering. Nach wenigen Wochen waren alle Schäden behoben. Dagegen konnten die schweren Angriffe auf Ploesti seit April 1944 und vor allem die Verminung der Donau den Ölstrom nach Deutschland beträchtlich reduzieren.
Schwerpunkte und „Doppelschlag“
Bei den Angriffen der Anglo-Amerikaner gegen das deutsche Reichsgebiet im Jahre 1944 trat die planmässige Wahl von Schwerpunkten immer klarer zutage. Dabei spezialisierten die Angreifer sich auf militärisch wichtige Ziele, ohne freilich die Flächenangriffe auf grössere Städte zu vernachlässigen. Es wurden angegriffen: Im Januar und Februar 1944 Flugzeugfabriken und ihre Zubehörindustrie, im März Flugplätze und allgemeine Industrieziele, im April wieder Flugzeugwerke und Flugplätze, ferner Eisenbahnknotenpunkte und im Mai erstmals Hydrierwerke und Ölraffinerien, dazu abwechselnd alle vorgenannten Ziele. Die Nachtangriffe auf „Flächenziele“ blieben weiter Aufgabe der RAF und die Tagesangriffe auf Einzelziele die der USAAF. Die Tagesangriffe wurden nunmehr durch Langstreckenjäger stark geschützt. Die Taktik der Schein- und Ablenkungsangriffe, um den deutschen Flugmeldedienst zu täuschen und die Jagdabwehr in falsche Räume zu locken, wurde verbessert. So unternahmen beim Nachtangriff der RAF auf Berlin vom 20. Januar 1944 Mosquitos einen Ablenkungsangriff auf Nordwestdeutschland. Der Nachtangriff vom 21. Januar auf Magdeburg wurde durch einen Anflug auf Berlin verschleiert. Beim Grossangriff der RAF auf Berlin vom 15. Februar gelang durch einen gleichzeitigen Ablenkungsangriff auf Frankfurt die Täuschung vollkommen. Von den Nachtangriffen auf Berlin ist der vom 27. Januar hervorzuheben. Eine geschlossene Wolkendecke lag bis auf den Boden auf, die Nachtjäger konnten nicht starten und die Flak vermochte nicht einzugreifen.
Im Februar 1944 wurde von den Anglo-Amerikanern die neue Taktik des „Doppelschlages“ (double blow) eingeführt. Das gleiche Ziel wurde kurz hintereinander mehrfach angegriffen, um die Bergungsarbeiten zu erschweren oder unmöglich zu machen. Die Kugellagerfabriken in Schweinfurt waren für einen Tagesangriff am 24. Februar und einen Nachtangriff vom 24./25. das erste Objekt dieser neuen, später häufig durchgeführten Taktik. Die Abwehrkraft der deutschen Luftverteidigung war immer noch bemerkenswert gross, so dass die Verlustquoten der Angreifer wieder stiegen. Die schwerste Abfuhr holten sich die Briten bei ihrem Nachtangriff vom 30./31. März 1944 auf Nürnberg. Von 795 Bombern verlor sie durch die deutsche Nachtjagd 95 Bomber. Doch konnten solche Einzelerfolge den Verlauf des Luftkrieges nicht ändern, weil der Gegner durch ständigen Schwerpunktwechsel die deutsche Verteidigung zersplitterte.
Das traf vor allem für die Flak zu, mit der 1943/44 möglichst alle Angriffsobjekte geschützt werden sollten. Obgleich die Stärke der deutschen Flak von 1939 bis Kriegsende von 2’628 schweren Geschützen (Kaliber 8,8 cm und mehr) auf 14’889 und von etwa 3’360 leichten Geschützen (Kaliber 2, 3,7 und 5 cm) auf 41’937 anstieg, konnten doch nicht alle wichtigen Objekte genügend berücksichtigt werden. Darum ging man 1944 dazu über, an bestimmten Schwerpunkten Flakartillerie zu massieren und an militärisch wichtigen Anlagen „Flakfestungen“ zu schaffen (z. B. Stettin 500, Leuna 600 und Heydebreck O/S 800 schwere Geschütze). Trotzdem reichte die Abwehrkraft aber nur am Tage und bei klarem Wetter aus, nicht jedoch in der Nacht oder bei bedecktem Himmel, weil dann durch Abwerfen von Folien die Funkmessgeräte ausgeschaltet wurden.
In der Nacht warf die RAF zwischen 2’000 bis 3’500 Tonnen Bomben ab: 20.1.1944 Berlin, 21.1.1944 Magdeburg, 27.1.1944 Berlin, 15.2.1944 Berlin und Leipzig, 23.3.1944 Frankfurt/M.,
24.3.1944 Berlin, 30.3.1944 Nürnberg und 21.5.1944 Duisburg. Dazu traten Störangriffe auf Nordwest- und Westdeutschland, auf Berlin und 14 weitere deutsche Städte. Am Tage wurden schwer angegriffen:

Am 24. April 1944 wurden Eisenbahnziele im grösseren Massstab angegriffen, am Tage bei Hamm und Koblenz, in der Nacht bei Düsseldorf und Braunschweig. Insgesamt wurden in der Zeit vom 1. Januar bis 5. Juni 1944 an 36 Tagen und in 55 Nächten 102 grössere Angriffe auf deutsches Gebiet unternommen und dabei 36 Städte angegriffen, darunter Berlin 17mal, Braunschweig 13mal, Frankfurt/M. 8mal, Hannover und Schweinfurt je mal.
Luftüberlegenheit der Alliierten
Trotz der schweren Luftangriffe stieg die deutsche Flugzeugproduktion in den ersten Monaten des Jahres 1944 steil an. Nach dem US-Strategie Bombing Survey wurden 1944 insgesamt 25’860 einmotorige Jagdflugzeuge abgenommen, abgesehen von anderen Mustern für die Nachtjagd, Bomber, Aufklärer usw. Der genannte Bericht meint, dass z. B. die Zahl aller Jagdflugzeuge an allen Fronten, am 4. Juni 1944 = 1’769 und am 27. Juli 1944 = 1’754 Maschinen (Brief von Speer an Hitler vom 29. Juli 1944) sich schwer in Einklang bringen lasse mit den obengenannten amtlichen Abnahmezahlen. Diese paradoxe Erscheinung lässt sich aber leicht erklären. Die deutsche Jagdwaffe hatte bis Anfang 1944 den grössten Teil ihrer älteren und erfahrenen Piloten verloren. Der Nachwuchs war ungenügend geschult. Er wurde vorzeitig an die Front gebracht. Jeder dritte Pilot blieb bereits bei den ersten vier Einsätzen aus. Ein weiterer Grund war, dass die Jäger immer wieder taktisch zur Entlastung der Erdtruppen eingesetzt wurden. Die deutschen Jagdflieger, damit zu Jabos geworden, hatten bei diesen Unternehmungen nur einen völlig ungenügenden Jagdschutz von oben, während die alliierten Jabos durch Schwärme, Staffeln und sogar durch ganze Geschwader von Spitfires neuester Bauart geschützt wurden. So schmolzen die immer wieder angesammelten Jagdflieger-Reserven wie der Schnee in der Sonne dahin.
Die für das Ausland unbegreifliche Flugzeug-Produktion wurde dadurch ermöglicht, dass man die Fabrikationsprozesse soweit wie zulässig getrennt und aufgeteilt hatte. Im weiteren Verlauf des Luftkrieges wurde diese Dezentralisierung der deutschen Rüstungsindustrie jedoch zu einer grossen Belastung, weil die Produktion vom Funktionieren des Verkehrsnetzes abhängig war. Obwohl die alliierten Angriffe auf das Verkehrsnetz vorerst nur im Westen und Südwesten des Reiches erfolgten, wirkten sie sich sehr störend auf die Produktion aus. Der weitere Verlauf des Krieges zeigte dann mit aller Deutlichkeit, dass die Angriffe auf die Treibstoffziele und die auf das Verkehrsnetz die entscheidenden waren.
Parallel zu den Schwerpunktangriffen auf die deutsche Industrie und das deutsche Verkehrsnetz im Westen gingen die schweren Angriffe der alliierten Luftstreitkräfte auf den nordfranzösischen Raum, wo wiederum vorzugsweise Eisenbahnen und Strassenbrücken angegriffen wurden. Da die Anglo-Amerikaner danach trachten mussten, in den beabsichtigten Invasionsraum möglichst schnell mit starken Streitkräften einzudringen, war die Luftüberlegenheit in diesem Gebiet die allererste Voraussetzung. Sie errangen sie sehr rasch. Ein für die Alliierten günstiger Umstand war, dass die deutsche Führung die Invasion an mehreren Stellen erwartete und dementsprechend ihre Panzerdivisionen verteilt hatte. Wegen der Zerstörung der Eisenbahnen und vieler Strassenbrücken und wegen der Luftüberlegenheit der Alliierten bestand dann keine Möglichkeit, rechtzeitig starke Verbände zu massieren und den eingedrungenen Gegner zurückzuschlagen. Und zu strategischen Luftangriffen auf England war die deutsche Luftwaffe nicht mehr in der Lage. Sie konnte nie mehr als 100 Bombenflugzeuge einsetzen und infolgedessen konnte auch die auf England abgeworfene Bombenlast die Vorbereitungen zur Invasion nur stören, sie aber nicht verhindern.
Die fünfte und letzte Phase
6. Juni 1944 bis zum 8. Mai 1945
Die letzte und schlimmste Phase des Luftkrieges gegen Deutschland umfasst die elf Monate vom Tag der Invasion, dem 6. Juni 1944, an bis zum Tage der bedingungslosen Kapitulation, dem 8. Mai 1945. In elf Monaten wurden die grossen deutschen Städte gänzlich zerschlagen. Die erbarmungslosen Luftangriffe bei Tage und bei Nacht gegen die deutsche Zivilbevölkerung steigerten sich bis zur Unerträglichkeit. Die Menschen kamen aus ihren Luftschutzkellern und Bunkern kaum noch heraus. Immer mehr Wohnstätten sanken in Schutt und Asche. Der Strom der Evakuierten wuchs mit jedem Tage. Was in den Ruinen zurückblieb, rückte in den wenigen Wohnungen zusammen oder vegetierte in den Kellern bis zum nächsten Alarm. Am 8. Mai 1945 stand ein ganzes Volk buchstäblich vor dem Nichts.
Die Invasion
Die Invasion begann am 6. Juni 1944. Den Alliierten standen für diesen Zweck 12’837 Flugzeuge, darunter 5’409 Jäger, 1467 schwere und 1645 mittlere und leichte Bomber, zur Verfügung. Dagegen hatten die Deutschen im ganzen Westen nur rund 500 Flugzeuge, darunter 90 Bomber und 80 bis 100 Jäger einsatzbereit. Erst in den folgenden Tagen konnten der deutschen Luftwaffe weitere Verbände zugeführt werden. Sie schlugen sich hervorragend, aber konnten nicht hindern, dass die alliierten Luftstreitkräfte in wenigen Tagen über dem Kampfraum und dessen Umgebung die absolute Luftherrschaft errangen. Am 31. Juli 1944 gelang den Amerikanern der Durchbruch bei Avranches, womit der Erfolg der Invasion gesichert war. Das war der Auftakt zur völligen Niederlage Deutschlands.
Gleichzeitig verstärkten die Alliierten ihre Luftangriffe auf das deutsche Reichsgebiet und warfen hauptsächlich Bomben auf Hydrierwerke, Ölraffinerien, die Flugzeugindustrie und andere Industriewerke. Die „double blow“-Angriffe wurden auf drei kurz aufeinanderfolgende Angriffe verstärkt. Die ersten Opfer dieser Taktik wurden München (drei Tagesangriffe am 11., 12., 13. Juli) und Stuttgart (drei Nachtangriffe am 24., 25., 27. Juli). Dabei wurde der Abwurf von Brandbomben vermehrt; auf Stuttgart fielen am 24. Juli über 30’000 Brandbomben. Am 21. Juni war der erste „Pendeleinsatz“ (shuttle bombing) von England aus versucht worden. Amerikanische Verbände griffen Berlin an und flogen dann ostwärts weiter. Die deutsche Luftaufklärung stellte auf dem Flugplatz Poltawa etwa 140 Bomber B-17 und mehrere Langstreckenjäger fest. Daraufhin erfolgte auf Poltawa der letzte Grossangriff deutscher Bomber im Osten: 47 Viermotorige wurden zerstört, dazu 15 Mustangs und mehrere sowjetische Flugzeuge, 26 Bomber wurden beschädigt.
Von den Nachtangriffen der RAF ist der vom 12. Juni auf Hydrierwerke bei Gelsenkirchen zu erwähnen, von den schwersten Tagesangriffen der 8. USAAF der vom 20. Juni auf 12 Ölraffinerien und Hydrierwerke und der vom 21. Juni auf Berlin mit über 1’000 Bombern. Die 15. USAAF bombardierte von Italien (Foggia) aus am 25. Juli Ölraffinerien bei Wien. Insgesamt fanden in der Zeit vom 6. Juni bis 31. Juli 1944 an achtzehn Tagen und in neun Nächten grössere Angriffe auf deutsches Reichsgebiet statt, wobei 13 Städte, darunter München sechsmal und Stuttgart dreimal, mit Bomben belegt wurden. Die Wirkung der Angriffe auf Hydrierwerke und Ölraffinerien begann sich jetzt für die deutsche Kriegsindustrie stärker auszuwirken. Die neuen Waffen, von denen die deutsche Führung sich viel versprochen hatte, kamen zu spät und waren somit nicht kriegsentscheidend. Die Engländer waren durch Auswertungen von Luftaufnahmen von Peenemünde auf das Geheimnis der V 1 gekommen. Bereits vor der Invasion hatten die alliierten Bomber zahlreiche Abschussrampen zerstört. Am 15. Juni 1944 begann der V-1-Beschuss gegen England. Innerhalb von 80 Tagen wurden 8’000 V 1 abgeschossen, von denen aber nur 29 % ihr Ziel erreichten, die anderen fielen meist der britischen Luftverteidigung (Flugzeugen, Flak und Ballonsperren) zum Opfer. Am 8. Oktober 1944 wurde die erste V 2 gegen England abgefeuert. Bis zum 2. April 1945 erreichten 1’115 V 2 England und weitere 2’050 das Gebiet um Brüssel, Antwerpen und Lüttich. Da die V 2 aber eine zu grosse Streuung hatte, war die Wirkung zwar beunruhigend, aber sie fiel nicht ins Gewicht.
Auf dem Gebiete der Raketengeschosse und des Strahlantriebes für Flugzeuge waren die Deutschen den Alliierten weit voraus. Die Amerikaner und Briten hatten zwar einige Düsenflugzeuge in Entwicklung, aber bis auf einen Typ (Gloster „Meteor“) in wenigen Exemplaren setzten sie im Zweiten Weltkriege keine Düsenflugzeuge an der Front ein.
Aber auch auf anderen Gebieten brachten diese letzten Kriegsmonate wichtige technische Fortschritte. Die Flugzeuge mit Kolbenmotoren wurden an der Zelle verbessert, wesentlich stärkere Motoren wurden eingebaut und ebenso Druckkabinen für den Höhenflug. Viele deutsche Düsenjäger vom Typ Me 262 wurden noch in den letzten Kriegswochen mit Raketengeschossen ausgerüstet. Ein einziger Treffer hiermit konnte einen viermotorigen Bomber zum Absturz bringen. Die Präzision der Radargeräte erhöhte sich beachtlich und erlaubte es jetzt, auch im taktischen Einsatz Ziele trotz mangelnder Erdsicht genau zu treffen. Das Höchstgewicht der Bomben stieg auf 10’000 kg. Bomben dieses Kalibers wurden am 14. März 1945 gegen die Viadukte bei Bielefeld und Arnsberg geworfen. Die 5’400-Kilo-Bombe hatte seit Herbst 1944 verbesserte ballistische Eigenschaften durch Stromlinienform erhalten. Anfang 1945 verwendeten die Amerikaner erstmals eine panzerbrechende Bombe mit einem zusätzlichen Raketenantrieb. Sie verstärkten die Brisanz ihrer Bomben durch den neuen Sprengstoff „Pent“ .
Der strategische Luftkrieg auf dem Höhepunkt
Bei ihren Schwerpunktangriffen führten die Alliierten schwerste Schläge gegen die Ölziele (Hydrierwerke, Ölraffinerien, ab November auch Öllager) in den Monaten August bis November 1944. Von September bis November galten die Schwerpunktangriffe hauptsächlich dem Verkehrsnetz, Eisenbahnanlagen und Wasserwegen, vielfach durch Verminung aus der Luft. Im Dezember steigerten sich die Bombardierungen von Verkehrsanlagen derart, dass von diesem Zeitpunkt an bis März 1945 der Schwerpunkt zusammen auf den Öl- und Verkehrszielen lag. Im Laufe des März nahmen auch noch einmal die Angriffe auf Flugplätze, Werften und U-Boot-Bunker zu, im April waren dann Eisenbahnanlagen und der rollende Verkehr auf den Schienen und Strassen die Hauptziele der letzten strategischen Luftangriffe.
Neu war, dass die RAF im September ebenso viele Tages- wie Nachtangriffe flog und dass die 15. USAAF im November von Italien aus mit Nachtangriffen begann. Die Störangriffe der „Mosquitos“ bei Nacht wurden vermehrt. Die Luftüberlegenheit der Alliierten wuchs täglich. Sie konnten daher immer mehr auf Scheinangriffe und andere Täuschungsmanöver verzichten. Bei den Nachtangriffen benutzten sie jetzt zahlreicher als vorher Sonderflugzeuge, die durch „Düppel“ oder mit Störgeräten starke Bomberverbände vortäuschten und damit die deutsche Luftverteidigung irreführten. Im Verlaufe des Vorrückens der alliierten Erdtruppen auf das deutsche Reichsgebiet wurde es ausser von strategischen auch von taktischen Kampfhandlungen betroffen. Am 16. November 1944, dem Tag des Beginns der amerikanischen Offensive zwischen Aachen und Düren, wurden grosse Verbände der 8. und 9. USAAF mit über 1’200 schweren viermotorigen Bombern und einer grossen Anzahl von mittleren zweimotorigen Bombern und Jagdbombern zur Verstärkung der Artillerievorbereitung auf taktische Erdziele eingesetzt. Düren, Jülich und Heinsberg wurden mit 5’600 Bomben belegt.
Bombenangriffe auf das deutsche Reichsgebiet
Für die Zeit von August 1944 bis zum Kriegsende gilt folgende Übersicht. Es wurden an schweren Bombenangriffen durchgeführt:

Insgesamt wurden vom 1. August 1944 bis zum 26. April 1945 an 194 Tagen und in 94 Nächten 127 deutsche Städte angegriffen. Die schwersten Nachtangriffe der RAF in diesem Zeitraum waren:


Als schwerste Tagesangriffe – im Allgemeinen durch die 8. USAAF – sind zu nennen:


Ausserdem unternahm die 15. USAAF von Italien aus folgende besonders schweren Angriffe:

In der Zeit vom 1. August 1944 bis 26. April 1945 flogen die Alliierten insgesamt 205 Störangriffe, davon allein auf Berlin 94. Vom 18. Februar 1945 an wurde Berlin fast täglich, oft sogar mehrmals täglich, angegriffen (Februar: 12, März: 29, April: 26). Die letzten vier Kriegsmonate vom 1. Januar bis 26. April 1945 brachten dem Reichsgebiet insgesamt 404 Bombenangriffe, davon 267 am Tage und 137 in der Nacht; in den ersten drei Monaten wurden insgesamt 329’000 Tonnen Bomben abgeworfen.
Während des ganzen Krieges wurden 131 Städte durch Grossangriffe betroffen, davon Berlin (29), Braunschweig (21), Ludwigshafen (19), Mannheim (19), Kiel (18), Köln (18), Frankfurt/M. (18), Hamburg (16), München (16), Koblenz (15), Hamm (15), Hannover (11), Magdeburg (11).
Aufschlussreiche Verhältniszahlen
Der schon mehrfach zitierte US-Strategie Bombing Survey gibt aufschlussreiche Verhältniszahlen wieder:
Nach Ansicht des Berichtes hatte die strategische Luftoffensive bis zum Frühjahr 1944 keine entscheidende militärische Bedeutung. Von der von der RAF und der USAAF im europäischen Krieg abgeworfenen Gesamt-Bomben-Tonnage wurden 83 % nach dem 1. Januar 1944 abgeworfen. Von der auf das eigentliche Deutschland abgeworfenen Tonnage wurden nach dem 1. Januar 1944 85 % abgeworfen. Die Auswirkungen für Deutschland waren erst ab Juli 1944 spürbar, weil die Reserven sich erschöpften.
Die Bomben-Tonnage, die sich auf alle speziellen Produktionsziele richtete, machte nur 3 ½ % der gesamten Bomben-Tonnage aus, die abgeworfen wurde. Die Tonnage, die gegen 01, Chemikalien- und Kautschukziele eingesetzt wurde, betrug ungefähr 9 % der insgesamt abgeworfenen Tonnage und die gegen Flugzeug-Fabriken eingesetzte 2 %. Die auf alle anderen Produktionsziele, einschliesslich der Kugellager-Industrie, der Panzer-, Waffen-, Munition-, Kraftfahrzeugwerke und Stahlwerke abgeworfene Tonnage macht 2 ½ % der Gesamt-Anstrengungen aus. Der Angriff gegen Ziele des Transportnetzes betrug 32 % des ganzen Einsatzes. Von der ganzen Bomben-Tonnage kamen auf militärische Ziele, Flugplätze und Flughäfen, Ziele des See- und Binnenschiffartsverkehrs, Abschussplätze der V-Waffen und alle anderen Ziele 30 ½ %. Die restlichen 20 ½ % – also ein Fünftel der zum Abwurf gebrachten Gesamt-Tonnage und nahezu das Doppelte des Bomben-Gewichts, das gegen alle Industrieziele zusammen eingesetzt wurde – wurde bei den Angriffen auf grosse Städte abgeworfen.
Wie es zu den Angriffen auf die deutschen Städte kam, schildert der folgende Bericht:

„Im Anfang des Krieges hat die RAF kurz mit Tagesangriffen experimentiert, aber gemerkt, dass sich diese Angriffe der Verluste wegen von allein verboten. Danach ging man zu Nachtangriffen über; hierbei stellte sich aber heraus, dass es im Dunklen unmöglich war, besondere Werke oder Anlagen mit hinreichender Genauigkeit auszumachen, um zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Anfang 1942 nahm die RAF ihre Zuflucht zu einer systematischen Bombardierung der deutschen Städte, die ein grosses Angriffsziel boten, so dass ein weit ausgebreiteter Bombenteppich sich als wirkungsvoll erweisen konnte. Vom Oktober 1939 bis Mai 1945 warfen die Luftwaffen der Alliierten, insbesondere die RAF, bei solchen Gebietsangriffen über eine halbe Million Tonnen Spreng-, Brand- und Splitterbomben über 61 deutschen Städten ab, deren Bevölkerung 100’000 Einwohner und darüber betrug. In diesen Städten wohnten 25 Millionen Menschen, das sind 32 % der Bevölkerung des Deutschen Reiches und fast 5 Millionen Arbeitskräfte“.
Im August 1944 hatten sich die Auswirkungen der seit Juni punktmässig gegen die Hydrierwerke und Ölraffinerien geführten Angriffe durch die Alliierten gezeigt. Von Juni bis August wurden 66 Werke getroffen. Die deutsche Ölproduktion sank von rund 170’000 Tonnen im Mai 1944 auf nur 20’000 im August und schliesslich auf 5’000 monatlich in den letzten Kriegswochen, während die benötigte Menge weit über 100’000 Tonnen im Monat lag. Von Juni 1944 bis April 1945 wurden auf die Ölziele insgesamt 86’000 Tonnen Bomben geworfen. Dies beeinträchtigte nicht allein die Treibstoffversorgung für alle Wehrmachtteile, sondern auch die Öllieferungen für alle Zweige der deutschen Rüstungsindustrie.
Vom November 1944 an wirkte sich der „Ölkrieg“ immer stärker auf die deutsche Luftwaffe aus. Sie bekam bald nicht mehr genug Flugbenzin, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten, und musste die Ausbildung hauptsächlich auf die Umschulung von Bombenfliegern auf Jagdflugzeuge beschränken. Die seit September 1944 sich ständig steigernden Luftangriffe der Alliierten gegen das deutsche Eisenbahnnetz und den auf den Strassen rollenden Verkehr brachten bald die gesamte militärische und zivile Organisation in Unordnung.
Am Brennstoffmangel und an der ungenügenden Luftverteidigung, die auf den Kraftstoffmangel zurückzuführen war, scheiterte die letzte deutsche Gegenoffensive im Westen, die Ardennen-Offensive, die am 16. Dezember 1944 mit grossem Erfolg eingeleitet worden war. Das Unternehmen „Bodenplatte“ , in dem sich 800 deutsche Jäger, Jabos und Schnellbomber zu einem Überraschungsangriff auf Flugplätze der Alliierten in Holland, Belgien und Nordfrankreich vereinigten, endete zwar mit einem relativen Erfolg: 800 alliierte Flugzeuge wurden zerstört oder ausser Gefecht gesetzt, während auf deutscher Seite zunächst nur 93 Ausfälle waren, dann aber von der eigenen Flak beim Rückflug 200 weitere Maschinen abgeschossen wurden. Allein 59 Verbandsführer fielen bei diesem Unternehmen; schlimmer war, dass der erwartete taktische Erfolg nicht eintrat: Die Alliierten brauchten nur eine Woche, um ihre taktischen Verbände wieder aufzufüllen. Nach dieser Zeit konnten sie ihre Überlegenheit wieder voll zur Geltung bringen. Gleichzeitig wirkten sich die Zerstörungen an dem gesamten für den Nachschub notwendigen Eisenbahnnetz im Raum Hamm – Münster – Osnabrück aus, da die Umleitung über Kassel – Frankfurt unter einem ständigen Bombenhagel lag und auch der gesamte Strassenverkehr laufend angegriffen wurde.
Am 23. Februar begann die alliierte Grossoffensive im Westen. Zu ihrer Unterstützung wurden am Tag vorher und am 23. Februar alle Eisenbahnverbindungen nach dem Westen und Süden des Reiches durch äusserst wirksame Grossangriffe aus der Luft unterbrochen. Eine Folge hiervon war das Scheitern der am 20. Februar begonnenen deutschen Gegenoffensive im Osten, weil es unmöglich war, den erforderlichen Betriebsstoff für Panzer und motorisierte Truppen dorthin zu befördern.
Vom März 1945 an ging es mit raschen Schritten dem Ende zu. Schon am 15. März war der gesamte Güterwagentransport auf 15 %, die Kohlenlieferungen auf 4 % des normalen Umfanges gesunken. Speer schrieb an Hitler, der endgültige Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft sei mit Sicherheit innerhalb von 4 bis 8 Wochen zu erwarten. Im April stand der Eisenbahnverkehr still, und die Strassen lagen unter den ständigen Tiefangriffen der Jabos. Die Westalliierten stiessen bis über die EIbe vor und die sowjetischen Truppen eroberten Berlin. Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos. Der Krieg war zu Ende.
Bilanz der Bomben-Einsätze
USAF = Amerikanische Luftwaffe, RAF = Britische Luftwaffe

Umteilungen vom Strategischen Bomberkommando zu den Kampfeinheiten (Taktischer Einsatz).

Die hier zitierten statistischen Angaben der Royal Air Force stammen aus dem Jahre 1945 und sind als provisorisch anzusehen.
Einschliesslich Jagdbomber und Aufklärer.
Höchststärke einer jeden Luftwaffe.